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unilex 1–2/2007 - ULV

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im Privaten erbracht werden müssen und somit in vermehrter,<br />

vorrangig Frauen zugewiesener Versorgungsarbeit (vgl.<br />

Statistik Austria 2002: 87ff) resultieren. Steigt das Ausmaß<br />

unbezahlter Versorgungsleistungen im Privatbereich aber, so<br />

sinken Partizipationschancen von Frauen am Arbeitsmarkt.<br />

Dessen geschlechtsspezifische Segmentation sowie damit einhergehende<br />

Ungleichheiten in sozialen Sicherungssystemen<br />

verstärken sich.<br />

.<br />

An Deregulierung des Arbeitsmarktes, Reduktion sozialer<br />

Sicherheit und Einschränkungen öffentlicher Dienste manifestiert<br />

sich verstärkte Ausrichtung von Politiken auf eigenverantwortliche<br />

Lösungsstrategien. Diese Tendenz zu Individualisierung<br />

impliziert sinkende Anerkennung politischer<br />

Regulierungserfordernisse. Gesellschaftliche Problemstellungen<br />

werden damit als private redefiniert, als Folge „freier<br />

Wahl“ jenseits politischer Zuständigkeit gedeutet. Der Bereich<br />

des politisch – und damit demokratisch – Verhandel-<br />

und Kontrollierbaren wird damit eingeschränkt, die Grenze<br />

zwischen Öffentlichem und Privatem verschoben, bislang<br />

Politisches privatisiert. Für Gleichstellungspolitik bedeutet<br />

Zurückweisung öffentlicher Verantwortung, Geschlechterhierarchien<br />

im Kontext von Chancengleichheits- und Eigenverantwortungspostulaten<br />

als individuelle Problemlagen zu<br />

reinterpretieren, während ausgleichende staatliche Intervention<br />

ausbleibt. „(D)ass ein soziales Verhältnis als öffentliches<br />

anerkannt wird“, stellt jedoch ein wesentliches „Mittel der<br />

Emanzipation“ (Demirović: 23) dar.<br />

Privatisierung kennzeichnet demnach eine Vielzahl von Politiken,<br />

die öffentliche Verantwortung zunehmend durch private<br />

ersetzen, und geht mit Entstaatlichung, Entpolitisierung<br />

und Entdemokratisierung einher. Sie zielt auf Durchsetzung<br />

eines Modells marktzentrierter Selbstregulation, in dem<br />

Wettbewerb Verhaltens- und Denkweisen auf ökonomische<br />

Verwertbarkeit ausrichtet. Ungleiche Ausgangsbedingungen<br />

ausblendend, werden individuelle Lebenschancen nach<br />

dem Konkurrenzprinzip zugewiesen. An die Stelle gesellschaftlicher<br />

Interessenkonflikte tritt nur noch als individueller<br />

Kampf wahrnehmbarer Wettbewerb. Neoliberalismus<br />

bietet solcherart einen Entwurf gesellschaftlicher Harmonie:<br />

Gegensätze und Widersprüche werden auf die Ebene der<br />

Individuen verschoben. Marktmechanismen lösen staatliche<br />

Regulation ab. Neue Formen der Kontrolle jenseits autoritärer<br />

Repression und wohlfahrtsstaatlicher Integration werden<br />

so institutionalisiert und determinieren Handlungsoptionen<br />

der Einzelnen.<br />

selbststeuerung<br />

Mit Neoliberalismus verbindet sich folglich keine Rückkehr<br />

oder bloße Wiederbelebung, sondern eine fundamentale<br />

>> GLEIchbEhANdLUNG UNd FrAUENFördErUNG<br />

Weiterentwicklung des klassischen Liberalismus: Der Staat<br />

überwacht nicht länger, wie es der liberalen Konzeption<br />

entspricht, Marktfreiheit, sondern der Markt selbst wird<br />

zum organisierenden und regulierenden Prinzip von Staat<br />

und Gesellschaft: Ein begrenzendes und äußerliches wird<br />

durch ein regulatorisches und inneres Prinzip ersetzt, die<br />

wirtschaftstheoretische Vorstellung interventionsloser Selbstregulation<br />

von Märkten mit jener von Individuen verknüpft.<br />

Individuelle Selbstregulierungskapazitäten und ökonomische<br />

Profitmaximierung verbinden sich: Wirtschaftswachstum,<br />

Erfolg im Wettbewerb und persönliches Glück ergänzen<br />

einander, Wohlbefinden wird eng an ökonomischen Wohlstand<br />

gekoppelt.<br />

Vor allem Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit werden<br />

„[…] unter dem Gesichtspunkt einer rundum herrschenden<br />

Konkurrenz zwischen den Arbeitskräften neu formuliert<br />

und zumindest teilweise als Frage ihrer psychischen Verfassung,<br />

ihrer Neigung und Motivation betrachtet. Andererseits<br />

wird der Einzelne als Verbündeter des ökonomischen<br />

Erfolgs angesprochen, indem man dafür sorgt, dass er in das<br />

Management, die Präsentation, die Weiterentwicklung und<br />

Stärkung des eigenen ökonomischen Kapitals im Sinne eines<br />

persönlichen Vermögens und lebenslanges Projekt investiert“<br />

(Rose: 93).<br />

So zur persönlichen Verantwortung des/der Einzelnen bestimmt,<br />

wird mit Arbeit und Erwerbslosigkeit verbundene<br />

Problemlösungskompetenz an das Individuum delegiert,<br />

der/die Einzelne zum „aktiven Agenten“ stilisiert, „der<br />

sich selbst durch Kapitalisierung der eigenen Existenz ökonomisch<br />

steuert“ (Rose: 93). Eigeninitiative sind hierbei<br />

keine Grenzen gesetzt, unter dem Aspekt ökonomischer<br />

Verwertbarkeit steht die gesamte Lebensführung auf dem<br />

Prüfstand. Als „Unternehmer seiner selbst“ gilt der/die Einzelne<br />

folglich nicht als Produkt der Gesellschaft, sondern als<br />

Eigenprodukt, das sich im Konkurrenzkampf zu bewähren<br />

hat (vgl. Hondrich, Kocyba). Entkoppelt von wirtschaftlichen<br />

und gesellschaftlichen Bedingungen erscheint ökonomischer<br />

Erfolg „fortan als Funktion des Maßes an Unternehmungsbereitschaft,<br />

an Fertigkeiten, an Erfindungsreichtum<br />

und Flexibilität, über das der Einzelne verfügt“<br />

(Rose: 92) – und avanciert zum zentralen Referenzpunkt<br />

menschlicher Existenz, der marktgerechte Selbstregulation<br />

sicherstellen soll.<br />

Ausblendung gesellschaftlicher Ungleichheiten, die implizite<br />

Voraussetzung freier Verfügbarkeit für den Markt sowie damit<br />

einhergehende Negation von unbezahlter Versorgungsarbeit,<br />

weiblichen Lebenskontexten und Geschlechterhierarchien<br />

führen hierbei jedoch zu vorrangig Frauen treffenden widersprüchlichen<br />

Anforderungen. Kontinuität traditioneller Geschlechtermuster,<br />

einseitige Zuweisung unbezahlter privater<br />

Versorgungsarbeit und überwiegend bloß marginalisierte In-<br />

UNILEX <strong>1–2</strong>/<strong>2007</strong>

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