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unilex 1–2/2007 - ULV

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vorgenommen, sind also gerade nicht geeignet, das Neue zu<br />

entdecken und zu fördern. Entscheidend scheint viel mehr<br />

zu sein, dass sich wissenschaftliche Forschung wenigstens der<br />

Form nach am Modell kollektiv organisierter anwendungsorientierter<br />

Wissenschaften auszurichten hat, was dazu führt,<br />

dass auch dort von Teamarbeit und Projekten, von Praxis<br />

und Nutzen schwadroniert wird, wo es die Ehrlichkeit und<br />

der Stolz gebieten würde, eine individuelle Leistung, die sich<br />

der Erkenntnis verpflichtet fühlt, zu verteidigen.<br />

Ganz nebenbei produziert der künstlich erzeugte Wettbewerbsdruck<br />

eine neue, eigene Literaturgattung: die Antrags-,<br />

Projektbeschreibungs-, Selbstdarstellungs- und Bewertungsprosa.<br />

Zu dieser gehört nicht nur das gekonnte<br />

Jonglieren mit Zahlen und Statistiken, sondern auch die bemerkenswerte<br />

Fähigkeit, dem Zeitgeist genau abzulauschen,<br />

welche wissenschaftlichen Trends als zukunftsfähig gelten<br />

könnten und in welchen Segmenten es sich daher lohnt,<br />

jene transdisziplinär vernetzten und international begutachteten<br />

Projektanträge zu stellen, die dann bei einer allfälligen<br />

Evaluation als die großen Pluspunkte verbucht werden<br />

können. Unter diesen Bedingungen wächst natürlich nicht<br />

Forschung, wohl aber der organisatorische, bürokratische<br />

und poetische Aufwand für diese. Projektanträge erreichen<br />

mittlerweile Dimensionen, die dem Vernehmen nach dazu<br />

führen, dass manch ein Antragsteller gleich den Antrag<br />

als wissenschaftliche Publikation deklariert - was insofern<br />

durchaus sinnvoll ist, als ja, wie schon Daniel Defoe wusste,<br />

ein Projekt ein „großartiges Unternehmen ist, das zu breit<br />

angelegt ist, als dass aus ihm etwas werden könnte“.<br />

Immerhin: all das ist für die Universitäten auch mit einem<br />

Zugewinn an Freiheit und Selbstverantwortung verbunden.<br />

Die in vielen Bereich in den letzten Jahren durchgesetzte<br />

so genannte „Autonomie“ der Universitären entspricht<br />

aber leider nur auf den ersten Blick der Forderung nach<br />

Freiheit der Lehre und Forschung. Ausgestattet mit garantierten<br />

Budgets, die zumindest die Basisausstattung und<br />

zentrale Bereiche der Lehre abdecken sollen, können die<br />

Universitäten zunehmend frei über Personal, anzubietenden<br />

Studienrichtungen und Forschungsschwerpunkte entscheiden.<br />

Erstaunlich allerdings, dass dort, wo dieser Übergang<br />

in die Autonomie vollzogen wird, die davon Betroffenen<br />

nicht selten den Eindruck haben, dass Freiheitsräume nicht<br />

erweitert, sondern eingeengt werden. Die in einem institutionellen<br />

und ökonomischen Sinn autonome Universität ist<br />

deshalb noch lange keine freie Universität. Über Budgetvereinbarungen,<br />

Wissensbilanzen und europäische Vorgaben<br />

sind die Universitäten nicht nur nach wie vor der Politik<br />

ausgeliefert, über Drittmittelgeber, Akkreditierungs- und<br />

Evaluationsagenturen und Universitätsräte regieren zunehmend<br />

private Interessen in die Belange der Universitäten<br />

hinein. Die herrschende Ideologie der Entstaatlichung hinterlässt<br />

auch hier ihre Spuren. Der Zugriff des Marktes<br />

einerseits und eine Auslagerung der politischen Kontrolle<br />

auf informelle Öffentlichkeiten führen letztlich zu einer<br />

Einengung wissenschaftlicher Arbeit, die sich gerade für<br />

eine innovationssüchtige Gesellschaft als ziemlich kontraproduktiv<br />

erweisen könnte.<br />

Ao . Univ .-Prof . Mag .Dr . Konrad Paul Liessmann<br />

Institut für Philosophie<br />

Universität Wien<br />

konrad .liessmann@univie .ac .at<br />

>> GrUNdLAGEN<br />

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UNILEX <strong>1–2</strong>/<strong>2007</strong>

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