Eliten und Untertanen.pdf - AStA Uni Hannover
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die westdeutsche Studierendenschaft nunmehr insgesamt eine überwiegend realistisch-pragmatische,<br />
eher moderate <strong>und</strong> wenig alternative politische Gr<strong>und</strong>haltung<br />
ein. 19<br />
So bleiben Rahmen <strong>und</strong> Ziel des möglichen Protestes auf die Studienbedingungen,<br />
die studentischen Lebensverhältnisse <strong>und</strong> die zukünftige Chancenperspektive<br />
begrenzt. Es handelt sich um „punktuelle Aktionen“ ohne breitere ideelle oder<br />
ideologische Einbettung. Die Proteste beziehen sich eher auf materielle Probleme,<br />
die in ihrer Bedeutsamkeit unter den Studierenden zugenommen haben: Studienfinanzierung,<br />
Erwerbschancen, Studienbedingungen. Sie haben eher den Charakter<br />
einer eigenen Interessenwahrnehmung ohne darüber hinausgehende Konzepte <strong>und</strong><br />
Umgestaltungsabsichten. Diese Entwicklung kritisiert sogar die „andere“ Seite, also<br />
etwa ProfessorInnen, die das „lebendige <strong>und</strong> kritische Engagement“ vermissen.<br />
Nicht die Studierenden sind entpolitisiert, sondern die Hochschulen!<br />
Es stellt sich die Frage, ob Studierende mehr denn je gleichgültiger gegenüber<br />
gesellschaftlichen Belangen sind oder ob die Hochschulen als Ort, wo politisch<br />
diskutiert <strong>und</strong> protestiert wird, keine Bedeutung mehr haben.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich sind Studierende politisch aktiv, doch nicht mehr wie in früheren<br />
Jahren an den Hochschulen, sondern nunmehr außerhalb. Diese Entwicklung<br />
ist darauf zurückzuführen, dass die Hochschulen seit den 1990er Jahren<br />
durch strukturelle Änderungen privatisiert <strong>und</strong> entpolitisiert wurden. So standen<br />
die Bildungsreformen der 1960er <strong>und</strong> 1970er Jahre unter „Leitbegriffen wie<br />
‚soziale Öffnung der Hochschulen’ <strong>und</strong> ‚Wissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung’.<br />
Dieser Rahmen förderte die innere Politisierung der Hochschulen<br />
im Sinne eines emanzipatorischen <strong>und</strong> politisch konflikthaften Wissenschaftsbegriffes.<br />
20 Hingegen das heutige Leitbild der staatlichen Hochschulpolitik<br />
markiert mit den Begriffen „Wettbewerb“, „Profil“ <strong>und</strong> „Effizienz“ genau das<br />
Gegenteil. „Der damit verb<strong>und</strong>ene Übergang von traditionellen (Selbst-) Verwaltungsstrukturen<br />
zu betriebswirtschaftlich ausgerichteten Direktionsmodellen<br />
beseitigt die noch vorhandenen Schw<strong>und</strong>formen solidarischer <strong>und</strong> kollektiver<br />
Interessenwahrnehmung.“ 21<br />
Dadurch hat sich die studentische Rolle <strong>und</strong> Situation extrem verändert: Ein<br />
Hochschulstudium darf nur noch schnell <strong>und</strong> effizient sein. Hinzu kommt, dass<br />
zwei Drittel der Studierenden erwerbstätig sein müssen, um sich ihr Studium zu<br />
finanzieren. Auch die oftmals große Distanz zwischen Studierenden <strong>und</strong> Lehrenden,<br />
die wenig zur Kommunikation mit den Studierenden <strong>und</strong> dadurch zu<br />
ihrer Integration ins Studium beitragen, trägt dazu bei, dass es kaum Möglichkeiten<br />
an den Hochschulen für gesellschaftliche Diskussionen gibt.<br />
Heute werden die politischen Interessen von jungen Menschen als Bestandteil<br />
ihrer alltäglichen Lebensgestaltung wahrgenommen, also nicht mehr auf<br />
die Gestaltung von öffentlichen Angelegenheiten im institutionalisierten parlamentarischen<br />
Raum beschränkt, sondern die täglichen Lebensbedingungen in<br />
Nachtbarschaft, Schule <strong>und</strong> Kommune mit einbezogen.<br />
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