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Eliten und Untertanen.pdf - AStA Uni Hannover

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ewaffnete Korpsstudenten belagerten den Platz vor dem Hörsaal <strong>und</strong> skandierten:<br />

„Lessing raus! Jude raus!“<br />

Angesichts der relativen Folgenlosigkeit ihrer Gewalttaktik beschritten die<br />

Korpsstudenten einen neuen Weg <strong>und</strong> organisierten eine symbolische Protest-<br />

Abwanderung an die Hochschule in Braunschweig. Am 8. Juni fanden sich<br />

etwa 1.500 Studierende am hannoverschen Hauptbahnhof vor einem gemieteten<br />

Sonderzug ein, ein Großteil korporiert <strong>und</strong> in vollem „Wichs“. In Braunschweig<br />

wurden sie von ebenfalls chargierten B<strong>und</strong>esbrüdern empfangen <strong>und</strong><br />

vom „Stahlhelm-B<strong>und</strong>“ festlich bewirtet. Diese Aktion zeigte in <strong>Hannover</strong><br />

dann auch Wirkung. Die nationalistischen Zeitungen beschworen den studentischen<br />

Exodus <strong>und</strong> forderten zur Unterstützung der Anti-Lessing-Kampagne<br />

auf. Damit wurde die völkische Presse zum entscheidenden Faktor. Die Dozentenschaft<br />

der Technischen Hochschule erklärte einmütig ihren Wunsch nach<br />

Entfernung des unliebsamen Kollegen, städtische Einrichtungen, politische<br />

<strong>und</strong> wirtschaftliche Verbände schlossen sich an. Die Dynamik der Ereignisse<br />

spiegelte nicht zuletzt die immer stärker werdenden antidemokratischen Tendenzen<br />

in Deutschland wieder. Der Terror gegen Theodor Lessing war zu einem<br />

Teil des beginnenden Angriffs auf die Republik geworden.<br />

Unter dem enormen Druck verzichtete Lessing schließlich auf seine Vorlesungen<br />

<strong>und</strong> behielt lediglich seinen Forschungsauftrag. Seine Zeit in deutschen<br />

Hörsälen war damit ein für alle mal beendet. Aufgr<strong>und</strong> der Einvernehmlichkeit<br />

der an Lessings „Abschüttelung“ beteiligten Gruppen, zu denen auch die betroffenen<br />

politischen Instanzen <strong>und</strong> die Justiz gehörten, blieb der Terror für alle<br />

Täter folgenlos. Kein Student wurde der Hochschule verwiesen, niemand sonst<br />

zur Rechenschaft gezogen. Der sozialdemokratische Volkswille schrieb:<br />

82<br />

„Die Republik ist leider Gottes gegen Rüpel <strong>und</strong> Verleumder immer<br />

noch duldsam, während jeder nationalistische Saufstudent aus seinem<br />

Korpsstudentendünkel heraus <strong>und</strong>uldsam wird, wenn er nur eine ihm<br />

unangenehme Ansicht hört oder liest. (...) Eine spätere Zeit wird das<br />

Betragen <strong>und</strong> die geistige Armut solcher Korpsstudenten, solcher ‚Jugend’<br />

genauer würdigen. Das Urteil gegen derart unwürdige studentische<br />

Treibereien wird ein vernichtendes sein.“<br />

Li t e r a t u r<br />

Marwedel, Rainer: Theodor Lessing 1872-1933. Eine Biographie.<br />

Frankfurt a. M. u. a.: Büchergilde Gutenberg, 1987.<br />

Volkshochschule <strong>Hannover</strong> unter Mitarbeit von Christian Heppner:<br />

Wissen ist Macht ... Bildung ist Schönheit! Ada & Theodor Lessing <strong>und</strong><br />

die Volkshochschule <strong>Hannover</strong>. <strong>Hannover</strong>: Volkshochschule, 1995.

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