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Allgemein zeigen diese Untersuchungen, dass gesteuerter Spracherwerb gegenüber<br />

natürlichem Spracherwerb Vorteile hat ...<br />

Das vielleicht schwierigste Problem dabei ... ist, dass viele dieser Studien nicht<br />

definierten, was unter „gesteuertem Spracherwerb“ zu verstehen sei. Es wurde einfach<br />

von der Annahme ausgegangen, dass das Lernen unter schulischen Bedingungen mit<br />

gesteuertem Spracherwerb gleichzusetzen ist. Folglich ist es auch unmöglich eindeutig<br />

festzustellen, ob der Fremdsprachenunterricht sprachstruktur- oder kommunikationsorientiert<br />

verlief.<br />

(Ellis 1994: 612,614,616-7; unsere Übersetzung)<br />

Was sollen Lehrende daraus schließen? Diejenigen, die verständlichen Input und den<br />

natürlichen Spracherwerb zu ihrem Credo erklärt hatten und jetzt ihren Glauben<br />

unterminiert sehen, könnten nun die gezielte Vermittlung zielsprachlicher Strukturen in<br />

ihren Unterricht einbauen, um so die Situation zu retten. Besser wäre es gewesen, wenn<br />

schon von Beginn an eine kritische Auseinandersetzung stattgefunden hätte, wenn die<br />

Lehrenden gefragt hätten, was wirklich unter verständlichem Input zu verstehen sei, ob<br />

es eine Rolle spiele, wie dieser Input verständlich gemacht wird und wie man erkenne,<br />

ob der Input verständlich ist. Was die Theorie vom natürlichen Spracherwerb angeht,<br />

so wäre man gut beraten gewesen, erst zu fragen, ob diese Theorie für alle Bereiche des<br />

Sprachwissens und der Sprachkenntnisse gilt, ob sie auf alle Lernenden unter allen<br />

Bedingungen gleichermaßen anwendbar ist. Andererseits sollten auch Untersuchungen,<br />

die die Gültigkeit der Theorie vom natürlichen Spracherwerb in Frage stellen, Anlass<br />

zu kritischer Auseinandersetzung sein. Wie Ellis selbst treffend feststellt, ist der Begriff<br />

„gesteuerter Spracherwerb“ sehr vage. „Gesteuerter Spracherwerb“, so Ellis, kann<br />

sprachstruktur- oder kommunikationsorientiert sein. Was bedeuten diese beiden<br />

Begriffe? Was unter dem Namen „gesteuerter Spracherwerb“ im Unterricht tatsächlich<br />

passiert, variiert von Klasse zu Klasse, nicht nur in Bezug auf die sehr vagen und<br />

allgemeinen Vorstellungen von „sprachstrukturorientiertem“ und „kommunikationsorientiertem“<br />

Unterricht. In der Forschung ist es zwar durchaus üblich, die Komplexität<br />

der Lehr-Lern-Situation zum Zwecke der Untersuchung vereinfacht darzustellen, aber<br />

dass Unterricht komplex ist, ist eine Tatsache, mit der die Lehrenden irgendwie zurecht<br />

kommen müssen. Das bedeutet, dass Forschungsergebnisse und die Theorien, die von<br />

ihnen unterstützt werden, nie direkt auf eine konkrete Unterrichtssituation übertragbar<br />

sind.<br />

Damit soll nicht gesagt werden, dass Theorien nutzlos sind, nur, dass ihr Nutzen<br />

speziellen Bedingungen unterworfen ist. Was theoretische Überlegungen machen, ist,<br />

Lehrende zum Hinterfragen ihrer eigenen Prinzipien, ihrer eigenen Theorie, anzuregen,<br />

darüber nachzudenken, welche Relevanz die theoretische Unterscheidung zwischen<br />

sprachstruktur- und kommunikationsorientiertem Unterrichten für ihre eigene<br />

Unterrichtssituation haben könnte. Kurz gesagt, solche Überlegungen helfen uns die<br />

Selbstreflexion mit mehr Systematik und theoretischer Fundierung zu betreiben und<br />

stellen Orientierungspunkte zur Verfügung, nach denen wir unseren Unterricht<br />

ausrichten können.<br />

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