RUDOLF STEINER UND DIE ANTHROPOSOPHIE
RUDOLF STEINER UND DIE ANTHROPOSOPHIE
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Anthroposophische Gesellschaft 127<br />
dritte Gebiet ist das Rechtsleben, das sich einzig auf die Regelung<br />
der öffentlich-rechtlichen Belange konzentriert. Jeder dieser<br />
drei Funktionsbereiche gibt sich seine eigene Struktur, seine<br />
eigene Verwaltung. Sie 'sollen nicht in einer abstrakten,<br />
theoretischen Reichstags- oder sonstigen Einheit zusammengefügt<br />
und zentralisiert sein', sondern 'jeder Mensch als solcher<br />
wird ein Verbindendes' der drei Glieder des Organismus<br />
sein» (606,6).<br />
Diese Ansichten im Detail zu beurteilen, muß ich den Politologen<br />
und Ökonomen überlassen. Manches dürfte bedenkenswert<br />
sein. Allerdings scheint es mir, daß Steiner auch hier von<br />
einem optimistischen Menschenbild ausgeht, indem er die<br />
«volle Selbstverwaltung» letztlich soweit individualisiert, daß<br />
sie in jedem einzelnen Menschen zu liegen kommt. Hier dürfte<br />
das Gedankengut des «anarchistischen Individualismus»<br />
eines John Henry Mackay noch nachwirken. So kann Steiner<br />
etwa im Blick auf das Wirtschaftsleben ausführen:<br />
«Diesem Organisieren, das die Menschen zur Produktion von<br />
außen zusammenschließen will, steht diejenige wirtschaftliche<br />
Organisation, die auf dem freien Assoziieren beruht, gegenüber.<br />
Durch das Assoziieren verbindet sich der Mensch mit einem<br />
andern; und das Planmäßige des Ganzen entsteht durch die<br />
Vernunft des einzelnen» (606,18).<br />
Es ist kritisch zu fragen, ob Steiners Konzeption nicht im<br />
Chaos endet. Er wendet sich zu Recht gegen einen absoluten<br />
Zentralismus und Dirigismus auf politischem, wirtschaftlichem<br />
und geistigem Gebiet mit ihren Auswüchsen. Das andere<br />
Extrem, dem Steiner zu verfallen droht, sieht freilich so aus,<br />
daß bei der immer weiteren Herunterstufung von Kompetenzen<br />
- letztlich bis zum Individuum - am Ende zu viele Individuen<br />
mitreden wollen und überhaupt keine konsensfahige und sinnvolle<br />
Entscheidung mehr zustande kommt - eine Erscheinung,<br />
die wir heute übrigens bei vielen Kongressen der «Grünen» im<br />
Parteimaßstab erleben, die maßgeblich von Anthroposophen<br />
(etwa aus dem der Dreigliederungsidee verbundenen «Achberger<br />
Kreis») mitbegründet wurden und bis heute mitgetragen<br />
werden (vgl. hierzu Gassmann 1994).