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AUTOStraßenverkehr Heft 16-2013

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ANSICHTSSACHE<br />

AUTOBAHN-STAU – UMFAHREN ODER ERDULDEN?<br />

Stop oder go?<br />

Was ist sinnvoller: sich ins zäh fließende STAU-SCHICKSAL zu fügen oder die Autobahn<br />

trotz Umweg zu verlassen? Stefan Cerchez und Michael von Maydell diskutieren.<br />

„Es fällt mir schwer,<br />

mich sehenden Auges in<br />

eine Stop-and-go-Karawane<br />

einzureihen“<br />

U<br />

nter nebenberuflichen StauforStauforschern wie Berufspendlern, Au-<br />

hen. So spannend es sein mag, zur<br />

Überbrückung der Wartezeit die Funktißendienstlern<br />

oder sonstigen Kilomeonen und Menüstrukturen des Infotainter-Millionären<br />

wird die Weisheit häufig ment-Systems endlich einmal bis zur<br />

wie ein Mantra weitergegeben: Bei Stau untersten Ebene zu erkunden, irgend-<br />

niemals die Autobahn verlassen! Grund wann ist der Unterhaltungswert der<br />

für den gelebten Strecken-Starrsinn: Daddelkiste erschöpft – DVD-Wieder-<br />

Der Zeitverlust auf den meist weiträugabe hin, Online-Anbindung her. Zumal<br />

mig angelegten Umleitungsstrecken sei es doch in regelmäßigen Abständen<br />

stets höher als jener auf dem kurzem Ausfahrten mit bereits markierten Aus-<br />

Stauabschnitt – von gelegentlichen weichstrecken gibt. Also nichts wie den<br />

Ausnahmen bei Vollsperrungen einmal Blinker gesetzt und schnell die Auto-<br />

abgesehen. Denn bis der Grund für die bahn verlassen. Zugegeben: Dank Ver-<br />

Verlangsamung auf der Umleitungskehrsfunk- und Navigationshinweisen<br />

strecke umfahren ist, läuft das Tempo kommen auch die empfohlenen Umlei-<br />

auch auf der ursprünglichen, kürzeren tungen schnell an ihre Grenzen. Aber<br />

Route wieder. Daran glauben zumin- wozu gibt es die dynamische Routendest<br />

die Profis.<br />

führung mit automatischer Neuberech-<br />

Diese Menschen möchte ich daran ernung? Nicht immer ist der kürzeste<br />

innern, dass ein Auto ein FAHR-zeug Weg der schnellste – und schon gar<br />

ist. Es hat Räder, die der Fortbewegung nicht der schönste. Auf der Flucht vor<br />

dienen. Daher fällt es selbst einem einem Stau lassen sich auch Routen<br />

Menschen mit positiv-gelassener Le- und Ortschaften entdecken, die einem<br />

benseinstellung üblicherweise schwer, bei Marschtempo auf der Autobahn<br />

sehenden Auges in einen Stau zu fah- verborgen blieben. Deshalb gilt für<br />

ren und sich ganz selbstverständlich in mich: Lieber drehen statt stehen!<br />

die Stop-and-go-Karawane einzurei-<br />

Stefan Cerchez<br />

„Wer steht,<br />

entspannt und<br />

spart eventuell<br />

auch noch Sprit“<br />

A<br />

llein diese immer wieder gefühlte<br />

Arroganz nervt doch schon. Dieser<br />

ignorante „Wir-sind-cleverer-Blick“,<br />

den die meisten Fahrer aufsetzen,<br />

wenn sie zu ihrer vermeintlich freien<br />

Fahrt ansetzen und möglichst schnell<br />

– eventuell schon auf dem Standstreifen<br />

– an den stehenden Fahrzeugen<br />

vorbeibrausen.<br />

Ich frag mich nur: Wozu? Schon an der<br />

ersten Ampel geht die Hektik doch los.<br />

Der eine fährt den blauen Umleitungsschildern<br />

brav hinterher, beschleunigt<br />

glücklich bis zum vierten Gang – endlich<br />

freies Fahren –, und schwupp,<br />

hängt er im nächsten Dorf. All den anderen<br />

hinterher. Es folgen: Kreisverkehr,<br />

Zebrastreifen, dann der Müllmann,<br />

der gemütlich die Papiertonnen<br />

über die Straße rollt, dann der Trecker<br />

mit Güllefass. Nicht zu vergessen: der<br />

viel beschäftigte Blitzer am Ortsausgang.<br />

Immerhin eine kleine Entschädigung<br />

für das staubelastete Dorf.<br />

Der Nächste an der oben genannten<br />

Ampel denkt sich „die Umleitung ist eh<br />

schon voll“, biegt links ab und tastet<br />

sich an der Autobahn entlang. Taktisch<br />

vielleicht klüger, ärgerlich nur, wenn er<br />

nach 15 Minuten über eine Autobahnbrücke<br />

fährt, und unter ihm rollt der<br />

Verkehr gerade wieder an.<br />

Da steh ich doch lieber. Höre gemütlich<br />

Musik, surfe im Internet oder kann<br />

endlich mal in Ruhe mein Karl-May-<br />

Hörbuch hören. Neun Stunden „ Der<br />

Schatz im Silbersee“ – das sollte reichen.<br />

Zwischendurch kommt dann sicher<br />

mal im Radio: „Bitte die U13 nicht<br />

mehr anfahren. Die Straßen sind total<br />

überlastet.“ Viel zu gucken gibt es<br />

auch. Rechts der Lkw-Fahrer, der seine<br />

Bude sauber macht, und nebenan im<br />

Kombi zwei adrette Mädels. Vielleicht<br />

spielt jemand Volleyball? Von Truckern,<br />

die ihren Grill aufbauen und Würstl<br />

brutzeln, ganz zu schweigen. Und<br />

eventuell entwickelt sich aus einer reizenden<br />

Unterhaltung am Ende ja eine<br />

glückliche Familie?<br />

Was mir noch einfällt: Wer steht, spart<br />

auch noch Sprit. Und ist am Ende doch<br />

schneller zu Hause.<br />

Michael von Maydell<br />

30 AUTO <strong>16</strong>/<strong>2013</strong> www.facebook.com/AUTOStrassenverkehr<br />

Fotos: Dino Eisele, Keystone (1)

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