AUTOStraßenverkehr Heft 16-2013

RepoRtage
Die Hilfe zur Selbsthilfe
Was tun, wenn die Batterie schwächelt oder der Ölstand kontrolliert werden muss? Bérénice
Schneider ließ es sich bei einem GrunDlaGen-WorkSHop für Frauen erklären.
Die Stationen in drei Gruppen lernen die teilnehmerinnen, wie sie Reifen wechseln, Starthilfe geben, Glühbirnen tauschen und den Ölstand kontrollieren
nur noch in veralteten Klischees
dürfen wir Frauen
nicht selber verdienen, sondern
müssen am heimischen
Herd stehen. Es hält uns aber
auch niemand mehr die tür
auf, und wenn unser Auto
eine Panne hat, müssen wir
es selber wieder fit machen.
und da stecken wir dann in
der Patsche.
„Wir waren letztens auf einem
Festival, und einer brauchte
Starthilfe“, sagt die 18-jährige
Kim Gruber und deutet auf ihre
beiden Freundinnen. Da sie
zwar Überbrückungskabel dabeihatten,
aber nicht wussten,
wie man sie einsetzt, beschlossen
die drei jungen Frauen, es
Pannen-Kurs für frauen
zu lernen. „Dieser Kurs kam
gerade richtig!“
Dieser Kurs, das ist der Pannenhilfe-Workshop
für Frauen.
Die Idee dazu stammt von-
Wibke Deggau. Im Frankfurter
Club Main-oldtimer e.V. organisiert
sie die Veranstaltungen.
„Ich wurde immer wieder gebeten,
doch mal so einen Kurs
anzubieten. Außerdem wollte
ich es selbst lernen.“
Mit dem Clubkollegen und
Autohaus-Besitzer Heinrich
Göbel hat sie dann ein Selbsthilfe-Programm
entwickelt –
nur für Frauen. „Als wir einen
gemischten Kurs anboten,
kam nur eine Frau.“ Da sei der
tag zu technisch geworden.
Karin Brandt lobt die Entscheidung.
„Ich hätte nicht mitgemacht,
wenn Männer dabei
gewesen wären – die drängen
sich nur vor.“ Die Witwe hat
sich immer ein wenig für Autos
und Schrauben interessiert,
aber „so lange mein
Mann noch lebte, hat er sich
um den Wagen gekümmert“.
Nun könne es jedoch nicht
schaden zu wissen, was im
Notfall zu tun ist.
„Schrauben können oder nicht
hat nichts mit dem Geschlecht
zu tun“, weiß Heinrich Göbel.
„Ich kenne viele Männer, die
keinen Reifen wechseln können“,
aber Frauen gingen anders
damit um. „Wir wollten,
dass Frauen sich trauen, ihre
Fragen zu stellen und auszuprobieren,
was wir hier zeigen.
Also halten wir uns zurück und
lassen sie machen.“
Erst zugucken und dann
selbst probieren – das ist genau
das, was Sylvia Niederdorf
gern macht. Sie und ihr
Mann haben zwei alte Mercedes,
mit denen sie an oldtimer-Ausfahrten
teilnehmen.
„Ich habe nicht viel Ahnung
davon, aber es macht mir
Spaß, am Auto zu basteln. Vor
allem, wenn es mein eigenes
ist. Denn dann weiß ich, wofür
ich es tue. und die Männer
freuen sich, wenn sie merken,
dass ich was kann und ich
kein Problem mit schmutzigen
Händen habe.“
Damit ist sie an diesem tag
in guter Gesellschaft. Die
Mehrheit der anwesenden 19
Damen hat einen oldtimer-
Hintergrund. Marion Stadtmüller
nicht, aber Reifen hat
sie schon gewechselt. „Ich
weiß, wie es geht, aber es
schadet nie, in Übung zu bleiben“,
sagt sie und zieht die
letzte der fünf Radmuttern am
Pagoden-SL fest. Als Lob für
die gute Arbeit bekommt sie
einen Nagellack in Jupiterrot
– Mercedes-Farbcode 589.
Ganz ohne Klischees geht es
dann doch nicht.
Bérénice Schneider
64 Auto 16/2013 www.facebook.com/AutoStrassenverkehr