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EKD-Text 106 - Evangelische Kirche in Deutschland

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2. Aufgaben und Grenzen des Staates<br />

2.1. Der Staat der Bürger – Lehren aus dem 20. Jahrhundert<br />

(19) Steuern dienen der F<strong>in</strong>anzierung von Staatsaufgaben. Jede Äußerung zur<br />

Frage guter Besteuerung wird deshalb darlegen müssen, wie das ihr zugrunde liegende<br />

Staatsverständnis aussieht und ob das Steuersystem <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Struktur diesem<br />

Staatsverständnis entspricht. Dies gilt umso mehr, wenn sich die <strong>Kirche</strong>n zu<br />

diesem Thema äußern. Dabei hat die evangelische <strong>Kirche</strong> e<strong>in</strong>e spezifische, <strong>in</strong> der<br />

Regel recht staatsnahe, Tradition aufzuweisen. Die enge B<strong>in</strong>dung zwischen <strong>Kirche</strong><br />

und Staat hat sich erst <strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten gelockert. Dabei hat die Erfahrung<br />

der <strong>Kirche</strong> mit der Dom<strong>in</strong>anz und Verführung e<strong>in</strong>es totalitären Staates <strong>in</strong> der<br />

Zeit des Nationalsozialismus e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle gespielt; <strong>in</strong> dieser Zeit musste<br />

sich die <strong>Kirche</strong> mit der Spannung zwischen der biblisch begründete Loyalität gegenüber<br />

dem staatlichen Geme<strong>in</strong>wesen, wie sie Paulus <strong>in</strong> Römer 13 vertritt, und<br />

dem ebenfalls biblisch orientierten Widerstand gegen e<strong>in</strong> menschenverachtendes<br />

staatliches Handeln (z.B. <strong>in</strong> 1. Petrus 2, 17) ause<strong>in</strong>andersetzen. Auf diesem H<strong>in</strong>tergrund<br />

hat die Bekenntnissynode von Barmen 1934 formuliert: „Die Schrift sagt,<br />

dass der Staat nach göttlicher Anordnung die Aufgabe hat, <strong>in</strong> der noch nicht erlösten<br />

Welt, <strong>in</strong> der auch die <strong>Kirche</strong> steht, nach dem Maß menschlicher E<strong>in</strong>sicht und<br />

menschlichen Vermögens unter Androhung und Ausübung von Gewalt für Recht<br />

und Frieden zu sorgen...“ (Barmer Theologische Erklärung, These 5). Die Synode<br />

warnt vor der Versuchung „als solle und könne der Staat über se<strong>in</strong>e besonderen<br />

Aufgaben h<strong>in</strong>aus die e<strong>in</strong>zige und totale Ordnung menschlichen Lebens werden und<br />

also auch die Bestimmung der <strong>Kirche</strong> erfüllen.“<br />

(20) Zwar soll sich der Staat für das Wohl se<strong>in</strong>er Bürger e<strong>in</strong>setzen, darf sich aber<br />

nicht zu e<strong>in</strong>er Institution erheben, die für das Geme<strong>in</strong>wesen bis <strong>in</strong>s Private h<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />

das verme<strong>in</strong>tliche Heil und perfekte Verhältnisse herstellen will. Er soll dem Frieden<br />

und dem Geme<strong>in</strong>wohl dienen und dafür e<strong>in</strong>en gesetzlichen und <strong>in</strong>stitutionellen<br />

Rahmen schaffen, darf sich aber nicht mit totalitärer Macht und diktatorischen<br />

Mitteln selbst absolut setzen. Der freiheitliche und soziale Rechtsstaat, wie ihn das<br />

Grundgesetz def<strong>in</strong>iert, soll vielmehr die Eigen<strong>in</strong>itiative der Bürger fördern, sich um<br />

Gerechtigkeit bemühen und die Solidarität zwischen den verschiedenen Schichten<br />

se<strong>in</strong>er Bevölkerung fördern und gestalten.<br />

Die Struktur der Zurechnung und Erhebung von Steuern und Abgaben und natürlich<br />

auch ihre Höhe hängen unmittelbar mit der Zuschreibung entsprechender Aufgaben<br />

auf den Staat oder auf andere Bereiche wie Wirtschaft, Familie und Zivilgesellschaft<br />

ab. Auch wenn es ke<strong>in</strong>en unmittelbaren Zusammenhang zwischen konkreten Aufgaben<br />

und Steuerzuweisungen gibt, müssen die Steuern <strong>in</strong>sgesamt so zugeschnitten<br />

se<strong>in</strong>, dass die staatlichen Aufgaben wahrgenommen werden können. Im Kontext<br />

unterschiedlicher Staatsauffassungen wurden schon früh verschiedene Steuerver-<br />

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