EKD-Text 106 - Evangelische Kirche in Deutschland
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der Steuerzahler, also auch die ärmeren Schichten, jene Mittel aufbr<strong>in</strong>gen muss, die<br />
<strong>in</strong> die Taschen der – eher besser gestellten – Tilgungsgläubiger fließen.<br />
6.2. Historische Weichenstellungen <strong>in</strong> der Steuer- und F<strong>in</strong>anzpolitik<br />
(71) Grundsätzlich sollte die Steuer- und F<strong>in</strong>anzpolitik <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bestehenden System<br />
e<strong>in</strong>en Kurs der Stetigkeit verfolgen und notwendige Änderungen behutsam<br />
vornehmen. Hektisches und kurzatmiges Hantieren an vielen Ecken ohne Berücksichtigung<br />
der Auswirkungen im Gesamtzusammenhang verunsichert die am Wirtschaftsleben<br />
Beteiligten und bee<strong>in</strong>trächtigt ihre Planungssicherheit. Diese aber ist<br />
e<strong>in</strong>e der wichtigsten Voraussetzungen für das gute Funktionieren e<strong>in</strong>er Marktwirtschaft.<br />
Es gibt jedoch Ausnahmesituationen, nicht selten ausgelöst durch externe und<br />
unerwartet heftige Ereignisse, <strong>in</strong> denen rasches und bis dah<strong>in</strong> unübliches Reagieren<br />
des Staates gefordert ist. <strong>Deutschland</strong> musste sich <strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten<br />
mehrfach e<strong>in</strong>er solchen Herausforderung stellen.<br />
(72) So kam es Mitte der sechziger Jahre, nach e<strong>in</strong>er langen Periode dynamischen<br />
Wirtschaftswachstums und anhaltender Vollbeschäftigung, zur ersten ernsthaften<br />
Rezession der Nachkriegszeit. Dieses Ereignis traf Politik und Wirtschaft völlig<br />
unvorbereitet, war man doch zu der Überzeugung gelangt, dass <strong>Deutschland</strong> mit<br />
se<strong>in</strong>er spezifischen ordnungspolitischen Ausrichtung e<strong>in</strong>e wirksame Absicherung<br />
gegen das Auf und Ab von Konjunkturen und Krisen geschaffen habe und man es<br />
allenfalls mit e<strong>in</strong>er harmlosen „Wachstumsdelle“ zu tun haben würde. Konjunkturschwäche<br />
und steigende Arbeitslosigkeit führten zu e<strong>in</strong>er deutlichen Umorientierung<br />
der Wirtschafts- und F<strong>in</strong>anzpolitik. Mit dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz<br />
(1967) verschaffte sich der Staat Instrumente gezielter Interventionen zur<br />
Bee<strong>in</strong>flussung der Wirtschaftsabläufe (Globalsteuerung). E<strong>in</strong>e bedeutende Rolle<br />
spielte dabei die antizyklische Haushaltspolitik (kreditf<strong>in</strong>anzierte Stützung der<br />
Nachfrage im Konjunkturabschwung, Schuldentilgung aus Haushaltsüberschüssen<br />
bei Hochkonjunktur).<br />
Mit der Ölkrise im Herbst 1973 begann e<strong>in</strong>e lang anhaltende Periode der Unterbeschäftigung,<br />
zyklisch steigender Arbeitslosenzahlen und sich verfestigender Langzeitarbeitslosigkeit.<br />
Die Politik versuchte mit immer neuen, <strong>in</strong> der Regel kreditf<strong>in</strong>anzierten<br />
Konjunktur- und Beschäftigungsprogrammen den Abwärtstrend zu<br />
stoppen, doch der Erfolg blieb aus.<br />
(73) Mit der Wiedervere<strong>in</strong>igung und den damit verbundenen Handlungszwängen<br />
wurden die öffentlichen Haushalte <strong>in</strong> bis dah<strong>in</strong> nicht gekanntem Maße belastet.<br />
Zudem gerieten die sozialen Sicherungssysteme <strong>in</strong> den alten Bundesländern durch<br />
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