EKD-Text 106 - Evangelische Kirche in Deutschland
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4. Aktuelle Herausforderungen für e<strong>in</strong> gerechtes Steuer- und<br />
Abgabensystem<br />
4.1. Aktuelle Trends<br />
(37) Die Debatte um Steuergerechtigkeit ist heute e<strong>in</strong>gebettet <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Debatte<br />
über die Auswirkungen der Globalisierung und die Frage, wie angesichts des <strong>in</strong>ternationalen<br />
Standortwettbewerbs auf nationaler Ebene und im Rahmen der EU<br />
überhaupt mit Steuern und Sozialabgaben umzugehen sei. Sie ist eng verbunden<br />
mit der Debatte um die Zukunft des Sozialstaats, um die Frage also, welche Leistungen<br />
<strong>in</strong> Zukunft noch als öffentliche Leistungen erbracht werden sollen und wie<br />
die damit verbundene f<strong>in</strong>anzielle Belastung verteilt werden soll. Dabei spielen die<br />
Trends e<strong>in</strong>e Rolle, die schon heute Wirtschaft und Politik bee<strong>in</strong>flussen:<br />
1.) Die Globalisierung führt zu e<strong>in</strong>em verschärften Standortwettbewerb und zur<br />
Liberalisierung des Kapitalverkehrs. Das hat <strong>in</strong> vielen Staaten zu e<strong>in</strong>er deutlichen<br />
Senkung der Unternehmensteuer – und der Kapitale<strong>in</strong>kommensteuersätze<br />
geführt. Das Steueraufkommen dieser E<strong>in</strong>kunftsarten ist allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> den meisten<br />
Ländern kaum gesunken oder sogar gestiegen, da die Bemessungsgrundlagen<br />
verbreitert werden konnten.<br />
2.) Die Zahl der Beitragszahler <strong>in</strong> den Sozialversicherungen wie der Bürger, die<br />
tatsächlich zum Steueraufkommen beitragen, hat abgenommen. Sowohl die<br />
demographische Entwicklung als auch strukturelle Veränderungen auf dem<br />
Arbeitsmarkt haben <strong>in</strong> den letzten Jahren zu der politischen Entscheidung<br />
geführt, die solidarische Alterssicherung <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> durch e<strong>in</strong> System<br />
eigenverantwortlicher Vorsorge zu ergänzen.<br />
3.) Die Wertschöpfung verlagert sich von der Güterproduktion auf unternehmensnahe<br />
oder direkt verbraucherbezogene Dienstleistungen, Produktion wird wegen<br />
günstigerer Investitions-, Arbeitsmarkt und Lohnbed<strong>in</strong>gungen, unternehmensnahe<br />
Dienstleistungen wegen niedrigerer Gehältern und e<strong>in</strong>em flexibleren<br />
Arbeitsmarkt <strong>in</strong>s Ausland verlagert. Bei entsprechender Flexibilität entstehen<br />
vorübergehend höher wertige Arbeitsplätze im Inland, die das Steueraufkommen<br />
verbessern. Verbrauchernahe Dienstleistungen im Inland liegen allerd<strong>in</strong>gs<br />
häufig im unteren E<strong>in</strong>kommenssegment (z.B. Friseure, Callcenter, Pflegedienste)<br />
4.) Die erhöhten Anforderungen <strong>in</strong> der Arbeitswelt führen tendenziell zu großen<br />
Anpassungsproblemen für die ger<strong>in</strong>g Gebildeten. Zwar bieten hochautomatisierte,<br />
<strong>in</strong>vestitions<strong>in</strong>tensive Produktionsbetriebe durchaus auch Arbeitsplätze für<br />
flexible, nur sektoral ausgebildete oder angelernte Arbeitnehmer <strong>in</strong> der <strong>in</strong>nerbetrieblichen<br />
Logistik und bei der Bedienung von Masch<strong>in</strong>en. Doch gehören sie<br />
<strong>in</strong> der Regel den unteren Lohngruppen an, können weniger zum Staatshaushalt<br />
beitragen und s<strong>in</strong>d immer häufiger auf staatliche Transferleistungen zur Sicherung<br />
des Lebensunterhalts angewiesen.<br />
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