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EKD-Text 106 - Evangelische Kirche in Deutschland

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die Ernte bzw. auf den Zuwachs an Vieh zu verstehen ist und die <strong>in</strong> Israel seit der<br />

Königszeit belegt werden kann. Der „Zehnte“ dürfte ursprünglich sowohl als e<strong>in</strong>e<br />

Staatsteuer für das Königshaus, wie auch als Kultabgabe anzusehen se<strong>in</strong>, da es <strong>in</strong><br />

dieser biblischen Zeit ke<strong>in</strong>erlei Trennung von Staat und Religion gab. Während die<br />

Kultabgaben im Alten Testament meist nicht problematisiert, vielmehr positiv als<br />

Voraussetzung weiteren Segensflusses von Gott her verstanden werden, wird <strong>in</strong> den<br />

königskritischen Partien des Alten Testaments deutlich e<strong>in</strong> Vorbehalt gegenüber der<br />

tendenziellen Verschwendungssucht der politischen Machthaber zu Lasten der<br />

Bevölkerung artikuliert.<br />

(6) Die erste historisch aufweisbare „Sozial“steuer entstand unter Josia<br />

(639-609 v. Chr.). Damals erfuhr die Institution des „Zehnten“ e<strong>in</strong>e bedeutsame<br />

Veränderung: Für jeweils zwei aufe<strong>in</strong>ander folgende Jahre sollte seither die Regelung<br />

gelten, den zehnten Teil der Ernte ebenso wie die Erstgeburt des Viehs am<br />

Heiligtum <strong>in</strong> Jerusalem geme<strong>in</strong>sam zu verzehren. Damit wurde der „Zehnte“ als<br />

Staatsteuer faktisch abgeschafft und diente fortan der F<strong>in</strong>anzierung des Kults am<br />

Zentralheiligtum, wobei zu den großen Festmahlzeiten auch Fremdl<strong>in</strong>ge, Witwen<br />

und Waisen sowie Leviten und Sklaven e<strong>in</strong>geladen werden sollten (vgl. Dtn. 12,12;<br />

18f.; 16,11 u.a.). Im dritten Jahr ist dann der „Zehnte“ am jeweiligen Wohnort für<br />

diese sozial schwächsten Gruppen – sowie für die grundbesitzlosen Leviten zur<br />

Verfügung zu stellen (Dtn 14, 28 f.). Damit wird e<strong>in</strong>e regelmäßige Abgabe zur<br />

Sicherung des Lebens unterprivilegierter Gruppen e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Faktisch wurde im alten Israel auf diese Art und Weise 3,3 % der E<strong>in</strong>kommen regelmäßig<br />

für soziale Zwecke verausgabt. Zur Versorgung des Kultpersonals am Jerusalemer<br />

Zentralheiligtum wurde <strong>in</strong> nachexilischer Zeit die Tempelsteuer angeordnet,<br />

die <strong>in</strong> der Folgezeit für das jüdische Selbstverständnis e<strong>in</strong>e besondere Rolle spielt.<br />

(7) Zur Zeit Jesu musste diese Steuer jeder über 20 Jahre alte Jude entrichten, was<br />

nicht alle<strong>in</strong> für die Juden <strong>in</strong> Paläst<strong>in</strong>a, sondern ebenso für die Juden <strong>in</strong> der Diaspora<br />

galt. Nach Schätzungen kann man während der Römerzeit e<strong>in</strong> jährliches Steueraufkommen<br />

für den Jerusalemer Tempel <strong>in</strong> Höhe von 1 Mio. Tetra-Drachmen annehmen,<br />

wodurch sich nach und nach im Jerusalemer Tempel e<strong>in</strong> enormer Schatz angesammelt<br />

hat, so dass diesem – verstärkt durch freiwillige Spenden und durch die Aufbewahrung<br />

von Privatgeldern im Tempel – faktisch die Nebenfunktion e<strong>in</strong>er Großstaatsbank<br />

zukam. Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund ist die Brisanz der tempelkritischen Aussagen<br />

Jesu und <strong>in</strong>sbesondere der Symbolhandlung der Tempelre<strong>in</strong>igung e<strong>in</strong>e zentrale<br />

Bedeutung im Zusammenhang der Verhaftung und Kreuzigung Jesu zuzumessen.<br />

(8) In e<strong>in</strong>em deutlichen Unterschied zu den alttestamentlich bezeugten Abgaben<br />

des „Zehnten“ und der Tempelsteuer s<strong>in</strong>d die von den Römern als Besatzungsmacht<br />

e<strong>in</strong>getriebenen Steuern zu bewerten, die im Neuen Testament aufgrund des Ver-<br />

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