Repetitorium Bundesstaatsrecht - Studentenverbindung Concordia ...
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IV. Staatsrechtliche Beschwerde<br />
Seite 39 von 50<br />
Während Verfassungsverletzungen durch kantonale Hoheitsakte seit der Gründung des Bundesstaates bei einer Bundesbehörde<br />
gerügt werden konnten, war eine Kontrolle der verfassungsmässigen Handhabung der Bundesgesetze durch die Bundesverwaltung<br />
lange Zeit nicht möglich. Erst ab 1914 bestand eine Grundlage für die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bund, in deren Rahmen auch<br />
Verstösse der Bundesverwaltung gegen die Bundesverfassung gerügt werden konnten, heute: OG 104 a.<br />
§ 2 – Die staatsrechtliche Beschwerde als Form der Verfassungsgerichtsbarkeit<br />
Verfassungsgerichtsbarkeit ist jedes gerichtliche Kontrollverfahren der Verfassungsmässigkeit staatlicher Akte auf ihre<br />
Übereinstimmung mit der Verfassung.<br />
Prüfungsmasstab ist die Verfassung<br />
Verfassungsverletzung ist Beschwerdegrund<br />
Anfechtungsobjekt ist staatliches Handeln<br />
Formen:<br />
Organstreitigkeiten (Zuständigkeitsstreit Ex-Leg-Iud) BVersammlung entscheidet im Bund, BV 173 I lit. i.<br />
Bundesstaatliche Streitigkeiten (Kompetenz Bund-Kt) Bundesgericht, BV 189 I lit. d.<br />
Normenkontrolle<br />
Abstrakte Normenkontrolle kantonaler Erlass wird direkt angefochten, StaBe<br />
Konkrete Normenkontrolle (akzessorisch) kt. / eidg. Erlass (Ausnahme: BV 191) wird vorfrageweise<br />
zufolge konkretem Anwendungsfall überprüft.<br />
§ 3 – Anfechtungsobjekt<br />
I. kantonale Hoheitsakte<br />
Nur Hoheitsakte, die von einer kantonalen Behörde 32 ausgehen und auf kantonaler Herrschaftsgewalt beruhen<br />
[hoheitlich sind], (…) was also von kantonalen Selbstverwaltungsbehörden, also von Gemeinden oder kirchlichen<br />
Behörden ausgeht, und sogar von Privaten, wenn diese vom Kanton mit hoheitlicher Gewalt ausgestattet worden sind.<br />
Aus OG 88 folgt, dass nur solche kantonalen Hoheitsakte angefochten werden können, welche in irgendeiner Weise<br />
die Rechtsstellung des einzelnen Bürgers berühren, indem sie ihn verbindlich und erzwingbar zu einem Tun,<br />
Unterlassen oder Dulden verpflichten oder sonst wie seine Rechtsbeziehung zum Staat autoritativ festlegt.<br />
[Bürgerverbindlich] 33 .<br />
II. kantonaler Erlass 34<br />
Ein Erlass regelt einen generellen (unbestimmter Adressatenkreis) und abstrakten (unbestimmte Vielzahl von Fällen)<br />
Lebenssachbereich.<br />
Allgemeinverfügungen, d.h. generell-konkrete Hoheitsakte, werden i.a.R. den gewöhnlichen Verfügungen<br />
gleichgestellt, was grundsätzlich auch für die Anfechtbarkeit gilt.<br />
Ist jedoch der Kreis der Adressaten offen und werden diese durch den Erlass der Allgemeinverfügung nur virtuell<br />
berührt 35 , muss eine Allgemeinverfügung im Anwendungsfall noch vorfrageweise auf die Rechtmässigkeit überprüft<br />
werden können. (Lohnfall der Berner Lehrer).<br />
Kantonsverfassungen<br />
Praxisänderung mit Änderung der Zürcher Kantonsverfassung (Kirchen als Personen des öffentlichen Rechts).<br />
Die Kontrolle der Bundesversammlung ist nicht von anderer Art, als jene des Bundesgerichts es sein könnte. Denn ob<br />
eine kantonale Verfassung nichts den Vorschriften der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthält, ist kein Entscheid<br />
politischer, sondern ein solcher rechtlicher Natur [aber durch ein politisches Gremium !].<br />
Da Bundesversammlung und Bundesgericht eine ähnliche Kognition aufweisen und beide Entscheide nicht materiell<br />
rechtskräftig werden, könne es deshalb nicht die Meinung gewesen sein, dass anschliessend an die Bundesversammlung<br />
noch das Bundesgericht die Kantonsverfassung überprüfen könne – rein schon aus Gründen der<br />
Rechtssicherheit, BGE 89 I 392 ff.<br />
Mit BGE 118 Ia 127 erfolgte insofern eine Kehrtwendung, als die vorfrageweise Überprüfung kantonaler<br />
Verfassungsbestimmungen (…) jedenfalls dann mit StaBe verlangt werden konnte, wenn das übergeordnete Recht im<br />
Zeitpunkt der Gewährleistung durch die Bundesversammlung noch nicht in Kraft getreten ist. Eine abstrakte<br />
Normenkontrolle, d.h. eine direkte Anfechtung der KV, ist weiterhin nicht möglich.<br />
32<br />
Bei der StaBe ist somit die verfügende Behörde für das Anfechtungsobjekt entscheidend, dies im Unterschied zur VGB, bei der die<br />
Rechtsbasis (Bundesverwaltungsrecht) entscheidend ist.<br />
33<br />
Eine relativ unbestimmte Weisung des Kantons an die Gemeinde, in einem bestimmten Bereich Rechtsnormen zu erlassen, berührt<br />
den Bürger noch nicht und ist deshalb kein taugliches Anfechtungsobjekt.<br />
34<br />
Die Unterscheidung Erlass – Verfügung ist entscheidend: Der Erlass kann zunächst nach seinem Inkrafttreten mittels einer<br />
abstrakten Normenkontrolle überprüft werden, anschliessend noch akzessorisch. Die Verfügung kann nur einmal überprüft werden.<br />
35<br />
St. Galler Fahrverbot auf der Strasse X berührt den Tessiner Autofahrer virtuell.<br />
<strong>Repetitorium</strong> © by Sandro Rossi