2012 - Forschung & Lehre
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9|12 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 705<br />
Klimawandel im Keller<br />
Auch im Weinkeller hinterlässt der Klimawandel<br />
seine Spuren, denn reifere<br />
Trauben besitzen weniger Säure, was<br />
den pH-Wert des Mostes und der Weine<br />
ansteigen lässt. Das begünstigt gerade<br />
die Entwicklung der unerwünschten<br />
Mikroorganismen und beraubt gleichzeitig<br />
der schwefeligen Säure ihre mikrobioziden<br />
Wirkung. Daher ist es Ziel<br />
der <strong>Forschung</strong>, mittels immer einfacher<br />
handhabbarer molekularer Diagnostik,<br />
frühzeitig die Schadorganismen dingfest<br />
zu machen und Gegenmaßnahmen einzuleiten,<br />
etwa das kurze Pasteurisieren<br />
des Mostes oder Weines. Bisher wurde<br />
damit solange zugewartet, bis die unerwünschten<br />
Metaboliten der Mikroorganismen<br />
sensorisch erkennbar waren.<br />
Leider war es dann oftmals schon zu<br />
spät für die Rettung des Weines.<br />
Selbst in ihrem Ableben ist die Hefe<br />
dem Wein noch dienlich. So gibt die autolysierende<br />
Hefe eine Vielzahl von Polysacchariden<br />
ab, die maßgeblich das<br />
weiche Mundgefühl und den runden<br />
Körper des Weines fördern. In Rotweinen<br />
treten sie in Wechselwirkung mit<br />
»Ein Alleinstellungsmerkmal<br />
des Weines ist seine enorme<br />
Alterungsfähigkeit.«<br />
den adstringenten Gerbstoffen und<br />
schwächen ihre Wahrnehmung ab.<br />
Gleichzeitig stabilisieren sie den Wein,<br />
indem sie Proteine aus der Traube und<br />
das Kaliumsalz der Weinsäure in Lösung<br />
halten und damit eine Trübung<br />
oder den Ausfall des Weinsteins verhindern.<br />
Ein Hauptaugenmerk bei der Vinifikation<br />
von Rotweinen liegt auf einer<br />
dunklen Farbe und dem richtigen Maß<br />
an Tanninen, so dass der Wein Struktur<br />
und Kraft ausstrahlt, aber nicht mit trockenen<br />
und grünen Tanninen zur Tortur<br />
für die Mundschleimhaut wird. Hier<br />
kann der Oenologe geringe Mengen an<br />
Sauerstoff zudosieren, sei es über ein<br />
Holzfass oder eine technische Vorrichtung,<br />
die das Polymerisieren der Gerbstoffe<br />
und Anthocyane beschleunigt.<br />
Gleichzeitig variiert er Dauer und Temperatur<br />
der Maischegärung, ebenso wie<br />
Herkunft und Toastungsgrad der Barriquefässer.<br />
Die molekularen Ursachen<br />
und Zusammenhänge vieler sensorischer<br />
Phänomene wie Adstringenz,<br />
Mundgefühl und Körper harren noch<br />
der wissenschaftlichen Aufklärung.<br />
Statt zu messen und gezielt zu agieren,<br />
führt häufig Empirie und die Erfahrung<br />
des Oenologen das Kommando. Angesichts<br />
neuer Rebsorten, sich ständig verändernder<br />
Weinstile und der jahrgangsbedingten<br />
Variation der Traubeninhaltsstoffe<br />
bedarf es auch hier einer besseren<br />
analytischen Kontrolle und Steuerung<br />
dieser sehr komplexen Prozesse.<br />
Was Wein unvergleichlich<br />
macht<br />
Ein Alleinstellungsmerkmal des Weines<br />
stellt seine enorme Alterungsfähigkeit<br />
dar. Denn Weine können ohne Gefahr<br />
für Leib und Leben noch nach 10 oder<br />
gar 100 Jahren mit Genuss getrunken<br />
werden, während die Genussspanne der<br />
meisten Lebensmitteln eher in Tagen<br />
und Monaten bemessen wird. Neben<br />
der Reifungsdauer selbst nehmen auch<br />
die Lagerbedingungen einen signifikanten<br />
Einfluss: Alter, Größe und Machart<br />
des Holzfasses prägen den Wein ebenso<br />
wie die Kontaktzeit mit der Hefe, die<br />
bei Sekt und Champagner mehrere Jahre<br />
betragen kann. Auch der Sauerstoffeintrag<br />
über den Flaschenverschluss<br />
und die Konditionen, un-<br />
ter denen der Wein transportiert<br />
und gelagert<br />
wird, sind von Bedeutung.<br />
Vieles über die mit<br />
der Alterung einhergehenden<br />
molekularen Veränderungen<br />
ist bekannt, aber dieses<br />
Wissen reicht bei weitem noch nicht<br />
aus, um sicher die sensorisch feststellbaren<br />
Veränderungen zu erklären oder gar<br />
vorherzusagen.<br />
Ganz ausgespart wurden die ökonomischen<br />
Aspekte der Weinerzeugung,<br />
die für viele Länder und Regionen eine<br />
bedeutsame Rolle spielen. Ich möchte<br />
es bei der Vermutung belassen, dass bei<br />
Wein über seinen Herstellungsprozess<br />
die höchste Wertschöpfung aller Lebensmittel<br />
erzielt werden kann: Während<br />
Traubensaft mit einer Preisspanne<br />
zwischen 0,79 und 4 Euro im üblichen<br />
Rahmen liegt, sprengt der Wein diese<br />
Grenzen angesichts einer beachtlichen<br />
Spanne die von 1 bis weit über 1000<br />
Euro pro Flasche reicht. Dieses Phänomen<br />
ist dem außergewöhnlichen Image<br />
besonderer Erzeuger und spezieller<br />
Herkünfte geschuldet, aber auch der<br />
Tatsache, dass bei diesen Icon-Weinen<br />
die Nachfrage das Angebot um ein Vielfaches<br />
übersteigt.<br />
Das Deutsche Literaturarchiv<br />
Marbach fördert bestandsbezogene<br />
<strong>Forschung</strong>sprojekte mit einem<br />
umfangreichen Programm, das<br />
folgende Stipendien umfasst:<br />
Marbach-Stipendium<br />
Suhrkamp-Stipendium<br />
C.H. Beck-Stipendium<br />
Hermann Broch Fellowship<br />
DVjs-Stipendium<br />
Norbert-Elias-Stipendium<br />
Udo-Keller-Stipendium<br />
Stipendien für Magister-,<br />
Master- und Staatsexamenskandidaten<br />
Freiburger Förderpreise<br />
Ausschreibungen und Formblatt:<br />
http://www.dla-marbach.de/<br />
service/stipendien/index.html<br />
Anträge sind bis zum<br />
30. September <strong>2012</strong> zu richten<br />
an den <strong>Forschung</strong>sreferenten<br />
des Deutschen Literaturarchivs:<br />
Dr. Marcel Lepper<br />
Deutsches Literaturarchiv Marbach<br />
Schillerhöhe 8-10<br />
D-71672 Marbach am Neckar<br />
stipendien@dla-marbach.de<br />
Beim Udo-Keller-Stipendium gelten<br />
abweichende Bewerbungsfristen.<br />
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