2012 - Forschung & Lehre
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698 NACHRICHTEN <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 9|12<br />
ZIVILKLAUSEL<br />
Streit über „Militärforschung“<br />
Die Universität Bremen hat die umstrittene Stiftungsprofessur<br />
des Bremer Raumfahrtunternehmens<br />
„OHB“ besetzt. Das hat die Universität gegenüber<br />
Radio Bremen bestätigt. Das Deutsche Zentrum für Luftund<br />
Raumfahrt (DLR) finanziert den grundlagenorientierten<br />
Lehrstuhl zusammen mit dem OHB-Konzern. Kritik<br />
hatte es an dieser Stiftungsprofessur gegeben, weil<br />
OHB auch an Rüstungsprojekten beteiligt ist. Nach Ansicht<br />
des Rektors der Bremer Universität, Professor Wilfried<br />
Müller, stehe die rein auf zivile <strong>Forschung</strong> ausgerichtete<br />
OHB-Stiftungsprofessur im Einklang mit der Zivilklausel<br />
der Universität, die <strong>Forschung</strong> zu Rüstungszwecken<br />
ausschließe. Der „Arbeitskreis Zivilklausel“<br />
hatte dagegen gefordert, dass die Universität sich nicht<br />
finanziell von der Rüstungsindustrie abhängig machen<br />
dürfe.<br />
Auch an anderen Universitäten ist Streit über Zivilklauseln<br />
entstanden. So lehnte der Präsident des Karlsruhe<br />
Institute of Technology (KIT) eine Zivilklausel gegenüber<br />
dpa ab: „Eine solche Klausel steht im Widerspruch<br />
zur Freiheit von <strong>Forschung</strong> und <strong>Lehre</strong>, die im<br />
Grundgesetz Artikel 5 verankert ist. Das nehme ich sehr<br />
ernst.“ Die Bundestagsfraktion Die Linke hatte unlängst<br />
von Bund und Ländern Maßnahmen gegen eine militärische<br />
<strong>Forschung</strong> an Hochschulen und außeruniversitären<br />
<strong>Forschung</strong>seinrichtungen gefordert und eine Zivilklausel<br />
für alle Hochschulen gefordert.<br />
Familienzuschlag und eingetragene<br />
Lebensgemeinschaft<br />
Das Bundesverfassungsgericht<br />
hat am 19. Juni<br />
<strong>2012</strong> die Ungleichbehandlung<br />
von verheirateten Beamten<br />
einerseits und in einer<br />
eingetragenen Lebenspartnerschaft<br />
lebenden Beamten<br />
andererseits bei der Gewährung<br />
des Familienzuschlags<br />
für verfassungswidrig erklärt<br />
(Az. 2 BvR 1397/09).<br />
Die Privilegierung verheirateter<br />
Beamter stelle eine<br />
am allgemeinen Gleichheitssatz<br />
des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz<br />
(GG) zu messende<br />
mittelbare Ungleichbehandlung<br />
wegen der sexuellen<br />
Orientierung dar. Allein der<br />
Verweis auf den in Art. 6<br />
Abs. 1 GG verankerten besonderen<br />
Schutz der Ehe<br />
rechtfertige angesichts der in<br />
vergleichbarer Weise rechtlich<br />
verbindlich verfassten<br />
Lebensform der eingetragenen<br />
Lebenspartnerschaft keine<br />
Differenzierung. Vielmehr<br />
bedürfe es in solchen Fällen<br />
TU München führt neues Karrieresystem für Wissenschaftler ein<br />
Die Technische Universität<br />
München (TUM)<br />
hat ein neues Karrieresystem<br />
für Nachwuchswissenschaftler<br />
initiiert. Der sog. „TUM<br />
Faculty Tenure Track“ bietet<br />
nach Meldung der Universität<br />
herausragenden Talenten<br />
frühe Selbstständigkeit als<br />
Assistant Professor und eine<br />
klare, leistungsabhängige<br />
Perspektive. Bestehen diese<br />
anspruchsvolle Evaluationen,<br />
steigen sie nach sechs Jahren<br />
zum Associate Professor auf,<br />
verbunden mit einer dauerhaften<br />
Anstellung in der Besoldungsstufe<br />
W3. Verfehlen<br />
sie das Ziel, sei die Karriere<br />
an der TUM beendet. Den<br />
Erfolgreichen stehe darüber<br />
hinaus der spätere Aufstieg<br />
zum „Full Professor“ offen.<br />
Bis 2020 richtet die TUM 100<br />
neue Professuren mit Tenure-<br />
Track-Erstberufungen ein.<br />
Das Professorenkollegium<br />
vergrößere sich nach Angaben<br />
der TUM damit um 20<br />
Prozent. Juniorprofessuren<br />
(W1) und dauerhafte W2-<br />
Professuren (sogenannte Extraordinariate)<br />
werden nicht<br />
mehr neu besetzt. Der bayerische<br />
Wissenschaftsminister<br />
Heubisch hat per Rechtsverordnung<br />
dem TUM-Karrieresystem<br />
seine Zustimmung erteilt.<br />
Auf diesen neuen Karriereweg<br />
starten können besonders<br />
qualifizierte Post Docs,<br />
die in der Regel mindestens<br />
zwei Jahre <strong>Forschung</strong>serfahrung<br />
im Ausland vorweisen<br />
müssen. Bereits erreichte<br />
Auszeichnungen (z.B. Emmy-Noether-<br />
und Heisenberg-Stipendien,<br />
ERC Starting<br />
Grants) erhöhen die<br />
Chancen der Erstberufung.<br />
Mit der Besoldungsstufe W2<br />
ausgestattet, kommen die<br />
jungen Assistant Professors<br />
in die volle Selbstständigkeit<br />
und Verantwortung: Sie sind<br />
nicht an einen Lehrstuhl angegliedert<br />
und haben die gleichen<br />
Rechte und Pflichten<br />
wie alle anderen Professoren.<br />
Mit dieser Freiheit ist die Erwartung<br />
verbunden, dass sie<br />
früh ein eigenes <strong>Forschung</strong>sprofil<br />
entwickeln. Dabei unterstützt<br />
die TUM sie mit einer<br />
intensiven Betreuung<br />
durch Mentoren und Weiterbildung<br />
in fachübergreifenden<br />
Kompetenzen, wie zum<br />
Beispiel Mitarbeiterführung.<br />
Die Lehrverpflichtung ist von<br />
neun auf fünf Semester-Wochenstunden<br />
reduziert.<br />
Nach zwei und nach vier<br />
Jahren werde die Entwicklung<br />
der Assistant Professors<br />
durch unabhängige Experten<br />
beurteilt. Im sechsten Jahr er-<br />
jenseits der Berufung auf das<br />
Schutzgebot der Ehe eines<br />
hinreichend gewichtigen<br />
Sachgrundes, der gemessen<br />
am jeweiligen Regelungsgegenstand<br />
und -ziel die Benachteiligung<br />
dieser anderen<br />
Lebensformen rechtfertige.<br />
Der grundrechtliche<br />
Schutz der Ehe als besondere<br />
Verantwortungsbeziehung<br />
begründe zwar eine Besserstellungen<br />
der Ehe im Verhältnis<br />
zu ungebundenen<br />
Partnerbeziehungen. Dies<br />
gelte aber nicht ohne Weiteres<br />
auch im Verhältnis zu einer<br />
rechtlich geordneten Lebensgemeinschaft.<br />
Die eingetragene<br />
Lebenspartnerschaft<br />
ermögliche es gerade Personen,<br />
die wegen ihres gleichen<br />
Geschlechts eine Ehe nicht<br />
eingehen können, eine im<br />
Wesentlichen gleichartige institutionell<br />
stabilisierte Verantwortungsbeziehungeinzugehen.<br />
folge eine Evaluation, die<br />
über den Karriereaufstieg<br />
entscheide. Dafür gibt es<br />
nach Auskunft der TUM<br />
„verbindliche, transparente<br />
Kriterien nach internationalen<br />
Maßstäben“. Bestehen<br />
die Kandidaten, erhalten sie<br />
nicht nur eine unbefristete<br />
Anstellung als Associate Professor,<br />
sondern steigen damit<br />
auch auf die Besoldungsstufe<br />
W3. Andernfalls sei die Karriere<br />
an der TUM beendet.<br />
Den Erfolgreichen ist bei herausragenden<br />
Leistungen im<br />
weiteren Karriereverlauf der<br />
Aufstieg zum „Full Professor“<br />
mit höherem Gehalt und erweiterter<br />
Ausstattung möglich.<br />
Mit diesem neuen Modell<br />
will die TUM laut Präsident<br />
Wolfgang A. Herrmann<br />
den Kulturwandel im deutschen<br />
Berufungssystem vorantreiben.