2012 - Forschung & Lehre
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696 NACHRICHTEN <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 9|12<br />
Nachrichten<br />
HRK-Präsident übt scharfe Kritik an der Bologna-Reform<br />
Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz,<br />
Horst Hippler, hat zehn<br />
Jahre nach deren Beginn die<br />
Bolognareform scharf kritisiert.<br />
Die Reform mache es<br />
entgegen ihren Zielen den<br />
Studenten nicht einfacher,<br />
ins Ausland zu gehen. „Dieses<br />
Versprechen ist nicht<br />
ZAHL DES MONATS<br />
Seit<br />
10 Jahren<br />
stehen Bachelor und<br />
Master gleichberechtigt<br />
neben den traditionellen<br />
Abschlüssen wie dem<br />
Diplom.<br />
wirklich erfüllt worden. Im<br />
Ausland müssen sie sich die<br />
Leistungen auch erst mal anerkennen<br />
lassen. Das ist oft<br />
nach wie vor schwierig“, sagte<br />
Hippler der Süddeutschen<br />
Zeitung. Auch das ECTS<br />
Punktesystem für die gegen-<br />
CHE-RANKING<br />
seitige Anerkennung von<br />
Studienleistungen sei „keine<br />
echte Währung“. Sie besage<br />
nur, wie stark ein durchschnittlicher<br />
Student zum<br />
Beispiel durch ein Seminar<br />
zeitlich belastet werde. Die<br />
Punkte sagten aber nichts darüber<br />
aus, was jemand könne.<br />
Hippler betonte, der Bachelor<br />
sei bestenfalls ein erster<br />
Abschluss mit einer Berufsbefähigung,<br />
aber dies sei<br />
„keine Berufsqualifikation“.<br />
Der HRK-Präsident kritisierte<br />
auch das sechssemestrige<br />
Bachelorstudium. Man müsse<br />
sich entscheiden, ob man<br />
eine Hochschulausbildung<br />
rein berufsbezogen wolle, wie<br />
sie die Fachhochschulen böten,<br />
oder eine andere Art der<br />
Ausbildung wie an den Universitäten.<br />
„Eine Universität<br />
muss mehr leisten als Ausbildung,<br />
nämlich Bildung. Das<br />
tut sie mit dem Bachelor<br />
nicht“. So sei ein universitärer<br />
„Bachelor of Engineering“<br />
kein vollwertiger Inge-<br />
Historiker rufen zum Boykott auf<br />
D er Verband der Historiker Deutschlands (VHD)<br />
wird sich auch in diesem Jahr nicht an dem Ranking<br />
des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) beteiligen.<br />
Bereits im Jahr 2009 hatten die Historiker eine<br />
Unterstützung dieser Art der Wissenschaftsdokumentation<br />
abgelehnt. Trotz der umfangreichen Kritik des VHD,<br />
der Deutschen Gesellschaft für Soziologie und anderer<br />
Wissenschaftsorganisationen halte das CHE aber an einem<br />
Verfahren fest, das bestenfalls „irreführende Angaben“<br />
ermögliche und „wenig aussagekräftige Informationen<br />
über die Geschichtswissenschaft in Deutschland<br />
bereitstelle, kritisiert der Verband.<br />
nieur und ein Bachelor-Absolvent<br />
in Physik sei „nie im<br />
Leben ein Physiker.“ Nach<br />
Ansicht Hipplers sei auch das<br />
Bologna-Leitbild, die Menschen<br />
schneller durchs Studium<br />
und in den Beruf zu bringen,<br />
falsch. Dies habe inzwischen<br />
auch die Wirtschaft erkannt.<br />
Die Unternehmen<br />
brauchten Persönlichkeiten,<br />
nicht nur Absolventen. „Wir<br />
alle arbeiten immer länger, da<br />
ist es sinnvoll, am Anfang<br />
mehr Zeit zu investieren und<br />
eine solche Persönlichkeit<br />
auszubilden. Hierzu gehört<br />
auch, dass Studenten über<br />
den Tellerrand des Fachs hinausschauen<br />
können. Der Jugendwahn<br />
ist an dieser Stelle<br />
vorbei“.<br />
Der Präsident des Deutschen<br />
Hochschulverbandes<br />
Kempen äußerte sich zustimmend,<br />
aber auch verwundert<br />
über die Kritik Hipplers.<br />
Schließlich habe die HRK<br />
sich maßgeblich an der viel<br />
zu schnellen Verwirklichung<br />
der Bolognareform beteiligt.<br />
Hipplers Vorgänger Gaehtgens<br />
und Wintermantel seien<br />
entschiedende Fürsprecher<br />
der Bachelor- und Masterstudiengänge<br />
gewesen und hätten<br />
Fristen für die Reformen<br />
gesetzt, sagte Kempen. Nach<br />
zehn Jahren endlich die<br />
Schwächen der Bologna-Studiengänge<br />
zu erkennen, sei<br />
den Studentengenerationen<br />
gegenüber zynisch, die unter<br />
diesen Bedingungen hätten<br />
studieren müssen. Kempen<br />
sagte weiter, es sei noch immer<br />
ein Problem, dass es in<br />
manchen Fächern nicht genügend<br />
Masterstudiengänge<br />
gebe, auch die Anzahl der<br />
Studienabbrecher sei höher<br />
als in den bisherigen Studiengängen.<br />
Bundesbildungsministerin<br />
Annette Schavan (CDU) wies<br />
die Kritik der Hochschulrektorenkonferenz<br />
an den Bachelor-<br />
und Master-Studiengängen<br />
zurück. „Ich bin im<br />
übrigen nicht der Meinung,<br />
dass die Meinung von Herrn<br />
Hippler die der Hochschulrektoren<br />
ist“, sagte sie dem<br />
ARD-Morgenmagazin. Es gebe<br />
eine Erfolgsbilanz. Dank<br />
der Bologna-Reform würden<br />
doppelt so viele Studenten<br />
ins Ausland gehen, bei den<br />
Bachelor-Absolventen gebe<br />
es eine geringe Arbeitslosenrate<br />
von zwei Prozent. Schavan<br />
betonte gegenüber der<br />
Zeitung Die Welt, dass „für<br />
die Qualität der Studiengänge<br />
die Hochschulen verantwortlich<br />
seien. Schavan wertet<br />
den Bachelor wie die Kultusministerkonferenz<br />
der<br />
Länder als berufsqualifizierenden<br />
Abschluss.<br />
Die Bundesregierung untersucht<br />
nach einer Meldung<br />
von Zeit-online, ob bereits<br />
Bachelor-Absolventen Zugang<br />
zum höheren Dienst in<br />
staatlichen Institutionen bekommen<br />
sollen. Bislang ist<br />
ein Masterabschluss Voraussetzung.<br />
Als Begründung<br />
nannte das BMBF, dass „der<br />
Bachelor ein vollwertiger<br />
akademischer Abschluss“ sei.<br />
„Die weitere Öffnung im öffentlichen<br />
Dienst wäre auch<br />
das richtige Signal an die Bachelor-Absolventen,<br />
dass ein<br />
direkter Berufseinstieg eine<br />
gute Option ist.“