William Shakespeare
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2. Senator.<br />
Sehr richtig; das Gesez muß sie zerschmettern.<br />
Alcibiades.<br />
Heil, Ehre und Mitleiden dem Senat!<br />
1. Senator.<br />
Nun, Feldherr - -<br />
Alcibiades.<br />
Ich komme, Euern Herrlichkeiten eine demüthige Bitte vorzutragen. Mitleiden ist der<br />
echte Geist der Geseze, und nur Tyrannen machen einen grausamen Gebrauch davon.<br />
Zeit und Unglük verfolgen einen von meinen Freunden, der in der Hize seines Blutes in<br />
das Gesez gefallen ist, welches für diejenige, die unvorsichtiger Weise hineinplätschern,<br />
eine bodenlose Tieffe zu seyn pflegt. Er ist, dieses Vergehen bey Seite gesezt, ein Mann<br />
von Ehre und Tugend, und dieses kauft seinen Fehler los. Auch ist seine That mit keiner<br />
Niederträchtigkeit beflekt; sondern mit einer edeln Wuth und einem ruhmwürdigen Stolz<br />
sezt' er sich seinem Feind, der seiner Ehre eine tödtliche Wunde beygebracht hatte,<br />
entgegen; nachdem er lange genug seinen Zorn zurük gehalten, und sich mit einem so<br />
gemässigten Eifer vertheidigt hatte, als ob er nur einen academischen Saz behauptete.<br />
1. Senator.<br />
Ihr übernehmt etwas allzu anstößiges, indem ihr euch so viele Mühe gebt, einer<br />
häßlichen That einen schönen Anstrich zu geben; ihr habt nicht anders gesprochen, als<br />
ob ihr im Sinn hättet, den Menschen-Mord in Schwang zu bringen, und Schlägereyen auf<br />
Rechnung der Dapferkeit zu sezen, die doch bloß von einer unächten Dapferkeit ihren<br />
Ursprung haben, und in die Welt kamen, eh noch bürgerliche Geseze den neugebohrnen<br />
Factionen und Zerrüttungen Einhalt gethan hatten. Der ist wahrhaftig dapfer, der das<br />
ärgste, was ein Mensch athmen kan, weislich erträgt; und, anstatt Beleidigungen bis zu<br />
seinem Herzen dringen, und es in gefährliches Feuer sezen zu lassen, sie für Kletten<br />
ansieht, die nur an seinen Kleidern hangen bleiben - -<br />
Alcibiades.<br />
Milord - -<br />
1. Senator.<br />
Ihr könnt schwarze Verbrechen nicht weiß waschen; Nicht Rache, sondern Geduld ist<br />
Tapferkeit.<br />
Alcibiades.<br />
So vergebet mir dann, gnädige Herren, wenn ich wie ein Soldat spreche. Warum sind<br />
denn die Leute so albern und wagen ihr Leben in einem Treffen? Und warum erdulden sie<br />
nicht lieber alle Drohungen des Feindes, schlaffen ruhig dabey ein, und lassen sich von<br />
den Feinden, ohne Wiederstand, die Hälse abschneiden? Wenn im Erdulden eine so<br />
grosse Tapferkeit ist, was machen wir im Felde? So sind also unleugbar die Weiber, die<br />
zu Hause bleiben, tapfrer als wir; so ist der Esel dapfrer als der Löwe; ja ein Kerl der eine<br />
Last von Eisen auf dem Rüken trägt, ist weiser dann ein Rathsherr, wenn im Tragen<br />
Weisheit ligt. O, Milords, wie ihr groß seyd, so seyd auch gütig und mitleidig; wer kan<br />
nicht bey kaltem Blut das Vergehen eines heissen Bluts verdammen? Morden, ich gesteh<br />
es, ist das schwerste Verbrechen; aber zu seiner Vertheidigung - - Bey allem was billig<br />
ist, dieses macht es gerecht. Sich seinem Zorn überlassen, ist Sünde; aber wo ist der<br />
Mann, der nicht zornig werden kan? Wägt das Verbrechen nur nach diesem ab.<br />
2. Senator.<br />
Du verschwendest deinen Athem umsonst.<br />
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