Publikation downloaden - MIK NRW
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50 Jahre Verfassungsschutz und politischer Extremismus in Nordrhein-Westfalen 33<br />
erforderte. Neben der fallbezogenen Strafverfolgung war eine fallunabhängige politisch-analytische<br />
Beobachtung notwendig. Diese musste allerdings wegen der<br />
Struktur der Beobachtungsobjekte stärker personenbezogen erfolgen als die sonstige<br />
Extremismusbeobachtung. Wegen der unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben<br />
durch terroristische Anschläge war der Einsatz aller nachrichtendienstlichen<br />
Mittel in größerem Umfang geboten als in anderen Aufgabenfeldern des Verfassungsschutzes.<br />
Die nachrichtendienstliche Terrorismusbeobachtung erforderte eine<br />
besondere Sach- und Personalausstattung und ein spezialisiertes Know-how,<br />
das in eigenen Organisationseinheiten zuammengefasst werden musste.<br />
1975: Einrichtung eines Terrorismusreferats beim <strong>NRW</strong>-Verfassungsschutz<br />
Dies führte 1975 in der Verfassungsschutzabteilung des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen<br />
zur Einrichtung eines eigenen Referates »Beobachtung terroristischer<br />
Bestrebungen«. Seine Tätigkeit erfolgte zunächst auf der Grundlage des<br />
Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten<br />
des Verfassungsschutzes und ab 1981 auf der Grundlage des Gesetzes über<br />
den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen. Bei der Terrorismusbeobachtung<br />
gehörten hierzu die Analyse von Prozessen in der Entstehungsphase terroristischer<br />
Gruppen möglichst vor der Anwendung terroristischer Mittel, das Aufspüren<br />
aktiver Gruppen und die Ermittlung von Anhaltspunkten für einen Anfangsverdacht<br />
sowie die nachträgliche Aufarbeitung der Entwicklung zerfallener terroristischer<br />
Gruppen unter den Aspekten Ideologie, Militanz, Logistik, generationsübergreifende<br />
Verflechtungen und Akzeptanz in der Szene.<br />
Für die Beschaffung und Auswertung von Informationen im Terrorismusbereich<br />
ergibt sich eine besondere Verzahnung mit der Arbeit der Strafverfolgungsbehörden,<br />
da terroristische Vereinigungen zum Zwecke der Begehung schwerer Straftaten<br />
gebildet werden. Soweit dem Verfassungsschutz als Teilergebnis seiner Beobachtungstätigkeit<br />
Tatsachen bekannt werden, die für die Verhinderung oder Verfolgung<br />
von Staatsschutzdelikten relevant sind, werden diese an die Strafverfolgungsbehörden<br />
übermittelt. Dabei muss eine hinreichende und zeitnahe Unterrichtung<br />
unter gleichzeitiger Wahrung von Geheimhaltungs- und ggf. auch Datenschutzinteressen<br />
gewährleistet werden. Der Verfassungsschutz ist weder darauf<br />
ausgerichtet noch darauf beschränkt, einzelne Personen wegen der Bildung einer<br />
terroristischen Vereinigung im Sinne des § 129 a Strafgesetzbuch strafrechtlich zu<br />
überführen. Vielmehr darf und muss der Verfassungsschutz auch im Vorfeld und<br />
Umfeld terroristischer Bestrebungen ansetzen, um seiner Frühwarnfunktion gerecht<br />
zu werden.<br />
Know-how für Terrorismusbeobachtung musste entwickelt werden<br />
Die Geschichte der genannten terroristischen Gruppierungen zeigt, dass das<br />
Know-how für wirksame Ansätze zur Terrorismusbeobachtung über einen längeren<br />
Zeitraum erworben werden musste. Beobachtungslücken in der Gründungsphase<br />
von RAF, Bewegung 2. Juni und RZ/Rote Zora konnten niemals ganz geschlossen<br />
werden. Zwar gelang es, die ideologischen Ansätze der Gruppierungen<br />
vollständig aufzuarbeiten. Auch konnten die personellen Zusammenhänge im Umfeld<br />
erfasst und überwacht werden. Es gelang jedoch nicht, die RAF-<br />
Kommandoebene und ihre interne Entwicklung aufzuklären. Die Identifizierung der<br />
Mitglieder von RZ und Roter Zora gelang nur teilweise. Insgesamt trugen Maßnahmen<br />
der Sicherheitsbehörden nur mittelbar zum Scheitern von RAF und Bewegung<br />
2. Juni bei. Die Bewegung 2. Juni löste sich 1980 wegen interner Mei-