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50 Jahre Verfassungsschutz und politischer Extremismus in Nordrhein-Westfalen 4<br />

scheinbar legalen Machtergreifung der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland<br />

nicht nur die zivilisierte Welt, sondern insbesondere die aus Deutschland e-<br />

migrierten Demokraten. Ihnen wollte es nicht in den Kopf, dass die Weimarer Verfassungsordnung<br />

es den entschiedenen Antidemokraten erlaubt hatte, mit demokratischen<br />

Mitteln im Staat die Macht zu übernehmen. Wenn die Demokratie in<br />

Deutschland noch einmal eine Chance haben würde, dann sollte sie nicht wieder<br />

so hilflos und ohnmächtig ihren Gegnern ausgeliefert sein wie in der Weimarer<br />

Republik.<br />

Ein lang wirkender Vorschlag bei diesen Bemühungen um die politische Bewältigung<br />

der nationalsozialistischen Machtergreifung stammte von dem aus Deutschland<br />

in die USA emigrierten Staatsrechtslehrer und Politikprofessor Karl Loewenstein.<br />

Er wies 1937 in einem Beitrag zur Fachzeitschrift der amerikanischen<br />

Politikwissenschaft darauf hin, dass man es nach dem faschistischen Sieg in Italien<br />

und Deutschland in den noch verbliebenen europäischen Demokratien verstanden<br />

habe, durch Gesetze und Verordnungen die Demokratie verteidigungsfähig<br />

zu machen. Aufbauend auf diesen zeitgenössischen Vorbildern konzipierte<br />

Loewenstein eine »militant democracy«, eine wehrhafte Demokratie. Diese<br />

verstand er als einen selbstsicheren Staat, der Willens und in der Lage ist, seine<br />

undemokratischen Gegner auch mit Mitteln zu bekämpfen, die zumindest in der<br />

Weimarer Republik nicht zum demokratischen Repertoire gehörten.<br />

Karl Loewenstein selbst ist heute fast vergessen. Doch seine theoretischen Überlegungen<br />

und praktischen Folgerungen zur Verteidigung der Demokratie sind in<br />

der Nachkriegszeit in allen europäischen Demokratien, insbesondere aber in der<br />

Bundesrepublik Deutschland aufgenommen worden. Dazu gehörten zunächst das<br />

alliierte Verbot von NS-Nachfolgeorganisationen und die Maßnahmen zur Entnazifizierung<br />

des Öffentlichen Dienstes, aber auch die Re-Education der Deutschen zu<br />

demokratischen Staatsbürgern und nicht zuletzt die Etablierung einer demokratiesichernden<br />

Verfassungsschutzorganisation.<br />

Die alliierten und deutschen Gründungsväter des Verfassungsschutzes konnten<br />

sich beim Aufbau auch auf die höhnische Herausforderung der ersten deutschen<br />

Demokratie durch den Chefpropagandisten der Nationalsozialisten beziehen. Hatte<br />

doch Joseph Goebbels bereits 1928 in aller Offenheit angekündigt, wie die<br />

NSDAP die Demokratie mit deren eigenen Mitteln zu zerstören beabsichtigte: »Wir<br />

gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren<br />

eigenen Waffen zu versorgen. (...) Wenn die Demokratie so dumm ist, uns für<br />

diesen Bärendienst Freikarten und Diäten zu geben, so ist das ihre eigene Sache.«<br />

Sieben Jahre später konnte Goebbels nach der nationalsozialistischen<br />

Machtergreifung triumphierend hinzufügen: »Wir Nationalsozialisten (...) haben offen<br />

erklärt, dass wir uns demokratischer Mittel nur bedienten, um die Macht zu<br />

gewinnen, und dass wir nach der Machteroberung unseren Gegnern rücksichtslos<br />

alle die Mittel versagen würden, die man uns in Zeiten der Opposition zugebilligt<br />

hatte«.

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