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Tagungsband Landespsychotherapeutentag 2005 (PDF, 4749 kb)

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ten und Psychotherapie inzwischen zurückgefahren<br />

wurde – mit der Begründung, das würde<br />

dann ja sowieso in der „tertiären“ Psychotherapie-Weiterbildung<br />

vermittelt.<br />

2. Integration aus der Sicht der Theorie<br />

2.1. Vier Grundorientierungen als Widerspiegelung<br />

gesellschaftlicher Pluralität<br />

Auch aus Sicht der Theorie ist die Frage nach<br />

der Integration sehr komplex. Denn trotz aller<br />

Bemühungen um eine ggf. vereinheitlichende<br />

Sichtweise lassen sich vier „Grundrichtungen“<br />

oder „Grundorientierungen“ der Psychotherapie<br />

deutlich unterscheiden. Diese haben jeweils nicht<br />

nur unterschiedliche Kernkonzepte und damit<br />

unterschiedliche Fokussierungen auf den therapeutischen<br />

Prozess und was „Veränderung“ ü-<br />

berhaupt bedeuten soll. Sondern sie sind auch<br />

unterschiedlichen Paradigmen verpflichtet, was<br />

klinisch-therapeutische „Realität“ ausmacht –<br />

und damit, was als „Fakten“ zu verstehen ist.<br />

Zugleich stellen diese „Richtungen“ eine Widerspiegelung<br />

der Vielfalt an Werten, Lebensformen,<br />

Vorlieben und Zielen in einer pluralistischen<br />

Gesellschaft dar – quasi als unterschiedliche<br />

Antworten auf die Frage „wie wollen wir<br />

leben?“. Es geht dabei um<br />

a) Psychodynamische (d.h. analytische und<br />

tiefenpsychologische) Ansätze,<br />

b) Verhaltenstherapeutische Ansätze (einschließlich<br />

der kognitiven VT),<br />

c) Humanistische Ansätze,<br />

d) Systemische Ansätze (einschließlich der<br />

Familientherapie).<br />

Trotz dieser Heterogenität der Perspektiven kann<br />

wohl nicht bestritten werden, dass bei einer erfolgreichen<br />

Therapie der Patient Veränderungen<br />

in folgenden „Realitäts“-Aspekten durchläuft,<br />

(entsprechend den Kernkonzepten der vier<br />

Grundorientierungen), nämlich (vgl. Kriz 2004b)<br />

a) die biographische Eingebundenheit seiner<br />

spezifischen Konflikt(abwehr)dynamik in<br />

deren symptomgebenden (kompromissbildenden)<br />

Auswirkungen versteht, ebenso<br />

b) gelerntes Verhalten und/oder der zugrundeliegenden<br />

kognitiven Prozessstrukturen ändert<br />

und neue Kontingenzen aufbaut, ferner<br />

c) die als Angst gespürte und in Vermeidungsverhalten<br />

manifestierte Inkongruenz zwischen<br />

seinem organismischen Erleben und<br />

seinem „Selbst“ zumindest in den symptomgenerierenden<br />

Auswirkungen durch Reintegration<br />

des nicht-Zugänglichen ins<br />

„Selbst“ vermindert, und letztlich auch<br />

d) seine destruktiven narrativen Konstruktionen<br />

über seine Beziehungen zu sich, zu anderen<br />

und zur Welt und deren gegenseitige Stabilisierung<br />

in den Interaktionen bedeutsamer Anderer<br />

(z.B. Partner oder Familie) verflüssigt<br />

und zu neuen Sinn- und Interaktions-Mustern<br />

(„Attraktoren“) in den jeweiligen Systemdynamiken<br />

findet.<br />

Bedeutsam ist bei dieser Zusammenstellung, dass<br />

es hier nicht etwa um vier unterschiedliche Prozesse<br />

geht. Sondern es handelt sich um vier unterschiedliche<br />

Perspektiven auf die erfolgreiche Veränderung<br />

in einem einzigen Prozess, nämlich dem<br />

Therapieprozess. Es geht somit lediglich um unterschiedliche<br />

Beschreibungen einer Wirklichkeit.<br />

2<br />

Das macht den Wunsch der Theoretiker verständlich,<br />

auch eine (möglichst) einheitliche Theorie<br />

zum Verständnis dieser Vorgänge zu entwickeln.<br />

Ein solcher einheitlicher (und offensichtlich alle<br />

vier o.a. Beschreibungsperspektiven umfassender)<br />

Ansatz wäre fraglos eine erhebliche Integrationsleistung<br />

in der Rekonstruktion klinischer und therapeutischer<br />

Prozesse.<br />

2.2. Strukturen möglicher integrativübergreifender<br />

Therapie-Theorien<br />

Allerdings gibt es solche theoretischen Entwürfe<br />

bisher bestenfalls ansatzweise. Sie sind auch<br />

kaum auf einem Wege zu finden, welcher allgemeine<br />

Aspekte in Psychotherapien herauszuarbeiten<br />

versucht, wie die „Common Factors“ von<br />

Weinberger (1995) oder – ähnlich und im deutschen<br />

Sprachraum bekannter – die „Wirkfaktoren“<br />

im Konzept einer „Allgemeine Psychotherapie“<br />

von Grawe (1995). Solche Ansätze sind zwar<br />

hilfreich, auf bestimmte kategorielle Aspekte hinzuweisen,<br />

die in Psychotherapien grundsätzlich<br />

eine Rolle spielen – etwa, verbunden mit der „therapeutischen<br />

Beziehung“, die Aspekte: „Ressourcenaktivierung“,<br />

„Problemaktualisierung“, „Hilfe<br />

zur Problembewältigung“ und „motivationale<br />

Klärung“ (Grawe 1995). Die Grenzen solcher<br />

Taxonomien für die Entwicklung einer Theorie<br />

von Psychotherapie wird sofort deutlich, wenn<br />

man sich einen vergleichbaren Ansatz im Bereich<br />

der Elektrizitäts-Forschung des 18 Jahrhunderts<br />

2 Diese grundsätzlich-integrative Einheit der Betrachtung<br />

klinischer Wirklichkeit steht nicht im Widerspruch<br />

dazu, dass die Perspektiven und Beschreibungen<br />

im Detail andere Behandlungsweisen begründen<br />

welche wiederum andere Veränderungsaspekte fokussieren<br />

und somit im Detail auch andere differentielle<br />

„Effekte“ erzielen.<br />

9

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