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Tagungsband Landespsychotherapeutentag 2005 (PDF, 4749 kb)

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wicklung des Kindes durch die Förderung der<br />

Eltern-Kind-Interaktion fördern. Dies bedeutet,<br />

dass das Methodenrepertoire im Hinblick auf<br />

diese Zielsetzung auszuwählen und einzusetzen<br />

ist. Zur Erreichung dieses Ziels kommen psychotherapeutische<br />

Interventionen bei Kindern und<br />

Jugendlichen, psychotherapeutische Arbeit mit<br />

den Eltern und psychotherapeutische Arbeit mit<br />

dem „System Familie“ in Betracht.<br />

Abgrenzung zwischen Hilfe zur Erziehung<br />

(SGB VIII) und Krankenbehandlung<br />

(SGB V)<br />

Das System der pädagogischen, therapeutischen<br />

und gesundheitlichen Versorgung in Deutschland<br />

ist tief gegliedert und ausdifferenziert, was umfassende<br />

Schnittstellen zwischen den einzelnen<br />

Leistungsbereichen und der darauf bezogenen<br />

Finanzierung zur Folge hat. Im Hinblick auf den<br />

Einsatz psychotherapeutischer Verfahren steht<br />

dabei die Abgrenzung zwischen der Hilfe zur<br />

Erziehung und der Krankenbehandlung nach<br />

dem SGB V im Vordergrund.<br />

Nachrang der Jugendhilfe (§ 10 SGB VIII)<br />

Ein Charakteristikum der Kinder- und Jugendhilfe<br />

ist ihr Nachrang. Sie wird damit wie die Sozialhilfe<br />

als Teil der öffentlichen Fürsorge ausgewiesen.<br />

Dieser Nachrang der Jugendhilfe führt<br />

zu zwei Konsequenzen:<br />

Leistungen nach anderen Gesetzen können nicht<br />

deshalb versagt werden, weil ähnliche oder teilidentische<br />

Leistungen auch im Leistungskatalog<br />

der Kinder- und Jugendhilfe vorgesehen sind.<br />

Andererseits bedeutet der Nachrang der Jugendhilfe<br />

nicht, dass sie gewissermaßen als Ausfallbürge<br />

alle Lücken und Defizite schließt, die in<br />

anderen Leistungsbereichen aufgrund abschließender<br />

Leistungskataloge oder einer restriktiven<br />

Verwaltungspraxis bestehen. Voraussetzung für<br />

das Wirksamwerden des Nachrangprinzips ist<br />

neben einer vollständigen oder partiellen Überschneidung<br />

der Leistungsvoraussetzungen eine<br />

vollständige oder partielle Überschneidung der<br />

Leistungsinhalte. Ist eine solche Überschneidung<br />

nicht feststellbar, stellt sich die Rangfrage zwischen<br />

verschiedenen Leistungen nicht. Den<strong>kb</strong>ar<br />

ist, die Leistungen im Hinblick auf die Bedarfsdeckung<br />

miteinander zu kombinieren.<br />

Leistungsvergleich<br />

Zu fragen ist deshalb in diesem Kontext: Liegen<br />

die Tatbestandsvoraussetzungen beider Leistungsnormen,<br />

also diejenigen nach § 27 SGB V<br />

und die nach § 27 SGB VIII vor? Ergeben sich in<br />

beiden Leistungsnormen die gleichen Rechtsfolgen?<br />

Ein Abgleich der Voraussetzungen zeigt, dass<br />

§ 27 SGB V eine psychische Störung mit Krankheitswert<br />

voraussetzt, während § 27 SGB VIII<br />

nach Sinn und Zweck der Vorschrift eine Störung<br />

des Erziehungsprozesses verlangt. Dafür ist nicht<br />

unbedingt (aber auch nicht implizit, also: keine<br />

psychische Störung ...) eine psychische Störung<br />

festzustellen bzw. nachzuweisen, sondern die<br />

Notwendigkeit einer Unterstützung der Eltern<br />

beim Erziehungsprozess (erzieherischer Bedarf).<br />

Hinsichtlich der Rechtsfolgen sieht § 27 SGB V<br />

heilkundliche Psychotherapie vor, das sind die in<br />

den Psychotherapierichtlinien zugelassenen Verfahren.<br />

Demgegenüber ergeben sich aus § 27 SGB<br />

VIII keine Hinweise für die dort einzusetzenden<br />

psychotherapeutischen Methoden.<br />

Dies kann im Einzelfall bedeuten, dass eine klare<br />

Unterscheidung möglich ist, also entweder psychische<br />

Störungen mit Krankheitswert oder eine<br />

Störung des Erziehungsprozesses vorliegt. Diese<br />

Alternative verursacht keine Probleme. Den<strong>kb</strong>ar<br />

ist aber auch, dass sowohl eine psychische Störung<br />

mit Krankheitswert als auch eine Störung des<br />

Erziehungsprozesses festgestellt werden kann. In<br />

diesem Fall wird zu fragen sein, ob „trotz“ der<br />

psychischen Störung des Kindes oder Jugendlichen<br />

mit Krankheitswert eine „normale“, d.h.<br />

angemessene Eltern-Kind-Interaktion stattfindet.<br />

In diesen Fällen wird heilkundliche Psychotherapie<br />

auf der Grundlage von § 27 SGB V zum Einsatz<br />

kommen. Ist hingegen die Eltern-Kind-Interaktion<br />

belastet bzw. gestört, so haben psychotherapeutische<br />

Verfahren im Rahmen von Hilfe zur<br />

Erziehung den Vorrang. Es kommt also auf den<br />

Schwerpunkt der erforderlichen Intervention an.<br />

Anwendungsprobleme<br />

Diese Unterscheidung lässt sich jedoch in der<br />

Praxis aus verschiedenen Gründen häufig nicht<br />

eindeutig treffen. Dabei ist zunächst zu konstatieren,<br />

dass dieselben Symptome, Phänomene oder<br />

Auffälligkeiten von unterschiedlichen Personen<br />

oder Professionen verschieden wahrgenommen<br />

und gedeutet werden. Hinzu kommt, dass sich die<br />

individuelle Ebene und die darauf bezogenen Störungen<br />

einerseits und die Beziehungsebene andererseits<br />

nicht klar voneinander trennen lassen. Bei<br />

Kindern und Jugendlichen kommt hinzu, dass es<br />

eine enge Wechselwirkung von individueller Störung<br />

und dem Erziehungsprozess gibt. Darüber<br />

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