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Tagungsband Landespsychotherapeutentag 2005 (PDF, 4749 kb)

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Es ist auch kaum zu erwarten, dass die Forschung<br />

dafür in absehbarer Zukunft verlässliche<br />

Indikatoren wird angeben können. Das komplexe<br />

und überdeterminierte Geschehen in einer psychotherapeutischen<br />

Behandlung, die Vielfalt der<br />

Einflussfaktoren und die kaum zu realisierende<br />

Isolierung von „Substanzen“ in einer Psychotherapie<br />

ist eine wohl nicht überwindbare Hürde.<br />

a.4 Konsequenzen einer störungsspezifischen<br />

bzw. diagnosebezogenen Abrechnungsgenehmigung<br />

in der Praxis<br />

Eine indikationsbezogene Bewertung mit der<br />

Folge der Erteilung einer indikations-/diagnosebezogenen<br />

„Abrechnungsgenehmigung“ bzw.<br />

Behandlungsberechtigung wäre auch im Hinblick<br />

auf den Regelfall der Komorbidität in der<br />

Versorgung, aber auch der Symptomveränderungen<br />

während einer Behandlung nicht realisierbar.<br />

Psychotherapieverfahren, bei denen die psychostrukturellen<br />

Hintergründe im Fokus der Behandlung<br />

stehen, behandeln nicht vordergründig<br />

das Symptom, sondern seelische Krankheit. Bei<br />

einer diagnosebezogenen Abrechnungsgenehmigung<br />

wäre formal ein häufiger Wechsel des Behandlers<br />

erforderlich, faktisch aber wohl kaum<br />

zu erwarten. Das schon derzeit zu konstatierende<br />

Auseinanderklaffen der Psychotherapierichtlinien-Vorgaben<br />

und der Behandlungspraxis würde<br />

noch verstärkt.<br />

a.5 Patienten sind mehr als ihre Störung:<br />

Die störungsspezifische Laborforschung orientiert<br />

sich an dem naturwissenschaftlichen Paradigma<br />

der Körpermedizin. Dort sieht die idealtypische<br />

Untersuchungsanordnung des „Goldstandard“<br />

vor: Patienten wird aufgrund ärztlicher<br />

Verordnung ein Medikament verabreicht, die<br />

Auswirkungen werden untersucht und dann mit<br />

den Ergebnissen bei einer Gruppe verglichen,<br />

denen Placebos verabreicht worden waren.<br />

Eine für die Psychotherapie analoge Beforschung<br />

wird mit der Durchführung von sog. störungsspezifischen<br />

randomisierten Studien (Labor-Studien)<br />

versucht. Mit störungsspezifischen<br />

Studien werden aber weitgehend Artefakte untersucht,<br />

die weder in der stationären noch in der<br />

ambulanten Praxis vorkommen.<br />

Die dem zugrunde liegende funktionalistische<br />

Sichtweise des Menschen verkünstelt den „Untersuchungsgegenstand<br />

Mensch“ so weit, dass er<br />

sich kaum noch als Bestandteil des menschlichen<br />

Lebens erkennen lässt; der Mensch wird als das<br />

in seine Funktionsstörungen aufteilbare Etwas<br />

betrachtet, das partiell repariert werden kann. Der<br />

störungsspezifische Forschungsansatz mag für die<br />

Grundlagenforschung von Bedeutung sein, seine<br />

Ergebnisse erlauben aber keine Aussagen zur<br />

Wirksamkeit und zum Nutzen in der praktischen<br />

psychotherapeutischen Versorgung. Die Reduzierung<br />

der Psychotherapie-Patienten auf die Manifestation<br />

ihrer Störung greift zu kurz, weil die<br />

tatsächlich behandlungsbedürftige seelische<br />

Krankheit nicht erreicht wird.<br />

a.6 Verfahrensdifferentielle Indikationsstellung<br />

ist Gegenstand der Berufsausübung<br />

Den Kommentatoren der Psychotherapie-<br />

Richtlinien Faber/Haastrick ist zuzustimmen, dass<br />

eine verfahrensdifferentielle Indikationsstellung<br />

Gegenstand der psychotherapeutischen Berufsausübung<br />

sein muss und nicht durch diagnosebezogene<br />

Behandlungsberechtigungen geregelt werden<br />

kann. Psychotherapeuten werden ausweislich des<br />

Gegenstandskatalogs der Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen<br />

zur verfahrensdifferentiellen<br />

Indikationsstellung qualifiziert.<br />

Mit dem von dem G-BA beabsichtigten Bewertungsverfahren<br />

würde für die Psychotherapie ein<br />

Paradigmen-Wechsel eingeleitet, dem die Vorstellung<br />

zugrunde liegt, Psychotherapie lasse sich<br />

genormt (manualisiert) anwenden und wie ein<br />

Medikament verordnen. Psychotherapie lässt sich<br />

aber dem Wissenschaftsparadigma der Körpermedizin<br />

nicht unterordnen.<br />

b. Evidenzbasierte Medizin/Evidenzbasierte<br />

Psychotherapie<br />

Die Anwendung der Prinzipien in der evidenzbasierten<br />

Medizin (ebM) auf die Psychotherapie<br />

wird aktuell diskutiert und insbesondere von den<br />

Leistungsträgern vehement gefordert. Dabei wird<br />

ebM gerne ungenau – oder interessensgeleitet<br />

wohl auch vorsätzlich – missverstanden und verkürzt.<br />

Evidenzbasierte Medizin wird als das Bemühen<br />

definiert, die Entscheidungsgrundlagen für<br />

Diagnose und Behandlung durch eine bessere<br />

Verzahnung von praktisch-klinischer Erfahrung<br />

mit Forschungswissen zu optimieren und dadurch<br />

die bestmögliche Diagnostik und Behandlung für<br />

jeden Patienten zu gewährleisten. EbM besteht<br />

aus 3 gleichwertigen Aspekten (siehe Abbildung)<br />

dem Patienten mit einem individuellen Problem<br />

(Patientenpräferenz),<br />

dem Behandler mit seiner klinischen Erfahrung<br />

(Klinische Expertise) und<br />

der externen Evidenz, die aus wissenschaftlichen<br />

Studien gewonnen wurde.<br />

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