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Tagungsband Landespsychotherapeutentag 2005 (PDF, 4749 kb)

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Götz Beyer<br />

Die Sicht der Verhaltenstherapie<br />

Nachfolgend sollen Überlegungen zur Fallvignette<br />

aus der Sicht des niedergelassenen Verhaltenstherapeuten<br />

dargelegt werden.<br />

Krebserkrankungen können durch die Betroffenen<br />

und ihre Familien selbst dann als existentiell<br />

bedrohlich erlebt werden, wenn die Heilungsaussichten<br />

gut sind. Sie treffen die Betroffenen fast<br />

immer überraschend, unvorbereitet und entsprechend<br />

hart. Von einer Minute zur anderen müssen<br />

Entscheidungen getroffen werden, die nie<br />

getroffen werden sollten. Die Kontrolle über<br />

weite Teile des eigenen Lebens ist verloren gegangen.<br />

Bei einer Vereinbarung über eine stützende Psychotherapie,<br />

die sich an die stationäre Behandlung<br />

anschließt, ist dem Patienten zunächst das<br />

Angebot zu wiederholen, das er zu Beginn der<br />

Chemotherapie nicht annehmen konnte: Zeit<br />

miteinander zu verbringen und Vertrauen aufzubauen,<br />

Problem- und Fragestellungen zu entdecken<br />

sowie Antworten zu suchen.<br />

Am Anfang der Behandlung steht wie immer die<br />

Entwicklung der therapeutischen Beziehung. Bei<br />

diesem Patienten ist schon von Beginn deutlich<br />

zu erkennen, dass er Kontrolle und Planung i.S.<br />

übergeordneter Pläne bevorzugt. Zur Entwicklung<br />

und Stabilisierung der therapeutischen Beziehung<br />

ist es also unabdingbar, das Prinzip des<br />

Führens und Folgens zu realisieren und sich<br />

komplementär zu den Plänen des Patienten zu<br />

verhalten. Kurz: Der Patient muss zunächst erleben,<br />

dass seine Pläne akzeptiert werden und er<br />

die Kontrolle über die Gesprächssituation hat.<br />

In den ersten Gesprächen werden die Ziele für<br />

die Therapie erarbeitet. Dabei kommt dem Therapeuten<br />

eine beratende und psychoedukative<br />

Funktion zu. Die Entscheidung über die konkreten<br />

Therapieziele wird letztendlich durch den<br />

Patienten gefällt. I.S. der adaptiven Indikation<br />

sind Behandlungsziele von Therapeuten und<br />

Patienten ständig auf ihre Sinnhaftigkeit zu<br />

überprüfen, entsprechend zu verändern und ggf.<br />

zu ergänzen.<br />

Im vorliegenden Fall hat der Patient bereits einen<br />

konkreten Auftrag erteilt: Er möchte nicht mehr<br />

unkontrolliert Weinen, denn es ist ihm in Gegenwart<br />

von Verwandten und Bekannten unangenehm.<br />

Dieses negativ formulierte Therapieziel<br />

ist jedoch nur bedingt zur Ableitung von Interventionsmöglichkeiten<br />

geeignet. Im Rahmen der<br />

Problemanalyse können die Bedingungen, unter<br />

denen das beklagte Verhalten auftritt, genauer<br />

beschrieben werden. Die gemeinsame Erarbeitung<br />

der konkreten Bedingungsanalyse führt häufig<br />

dazu, dass ein positiv formuliertes Therapieziel<br />

gefunden werden kann. In diesem Fall kann es<br />

durchaus die bessere Kontrolle über das eigene<br />

Verhalten sein (Selbstkontrolle im Rahmen des<br />

Selbstmanagements). Erfahrungsgemäß kommt es<br />

jedoch oft dazu, über die Notwendigkeit des so<br />

formulierten Bedürfnisses zu sprechen. Damit<br />

wäre dann die Möglichkeit eröffnet, z.B. über das<br />

Thema Kontrolle und die damit in Zusammenhang<br />

stehende Bedeutung der Erkrankung für die aus<br />

den Fugen geratene Lebensplanung zu sprechen,<br />

Erleben und Haltungen zu reflektieren und ggf.<br />

über Strategien der Kognitiven Verhaltenstherapie<br />

zu relativieren. Manchmal geraten Themen der<br />

Vergangenheit in den Focus der Behandlung, hier<br />

z.B. die gescheiterte Ehe und das offensichtlich<br />

problematische Verhältnis zum ehelichen Sohn.<br />

Auch hier wäre die Frage zu beantworten, welche<br />

konkreten Wünsche der Patient tatsächlich hat<br />

(z.B. Bereinigung des Verhältnisses zum ehelichen<br />

Sohn), warum er sich diese bisher nicht erfüllen<br />

konnte und ob jetzt eine Möglichkeit besteht,<br />

diese Wünsche noch zu erfüllen.<br />

Darüber hinaus ist zu eruieren, über welche Ressourcen<br />

der Patient verfügt, die behandlungsfreien<br />

Zeiten als erfüllte Lebenszeit zu erleben. Möglicherweise<br />

sind die dazu notwendigen Fähigkeiten<br />

zu erwerben.<br />

Bezogen auf die Krebserkrankung selbst kann<br />

dem Patienten in der gebotenen Vorsicht (keine<br />

unberechtigten Hoffnungen wecken vs. nichts<br />

unversucht zu lassen, den Krankheitsverlauf mit<br />

eigenen Versuchen zu beeinflussen) der Vorschlag<br />

unterbreitet werden, sich mit dem Konzept<br />

von Simonton zu befassen. Dabei wird versucht,<br />

über imaginative Verfahren die Selbstheilungskräfte<br />

zu unterstützen.<br />

Mit dem Patienten ist weiterhin zu klären, ob die<br />

Auseinandersetzung mit dem Thema Krebserkrankung<br />

gemeinsam mit der Familie zu führen<br />

ist. Schließlich ist die in der Fallvignette beschriebene<br />

Erkrankung in einem Stadium, indem eine<br />

Heilung eher unwahrscheinlich ist. Ggf. sind die<br />

Angehörigen anzuregen, Unterstützung für sich zu<br />

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