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Tagungsband Landespsychotherapeutentag 2005 (PDF, 4749 kb)

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Die Notwendigkeit des „Vier-Säulen-Modells“ –<br />

das der Vielfalt des therapeutischen Vorgehens in<br />

den Rahmenbedingungen der BRD besser gerecht<br />

wird – ergibt sich paradoxerweise bereits aus den<br />

o.a. Perspektiven auf den therapeutischen Prozess:<br />

Obwohl betont wurde, dass stets alle Perspektiven<br />

theoretisch relevant sind, kann kein<br />

Therapeut alle diese Aspekte handlungsrelevant<br />

im Kopf haben. Und selbst wenn ein Therapeut<br />

alle dies könnte, würde sich – auf dem gegenwärtigen<br />

Forschungsstand – wenig Praktisches daraus<br />

ergeben: Er müsste sich letztlich in einer<br />

konkreten Situation und im Hinblick auf die Beschwerden<br />

des Patienten entscheiden, ob er z.B.<br />

eher regressive Prozesse und Übertragungsdynamiken<br />

fördern, einen sokratischen Dialog oder<br />

eine systematische Desensibilisierung beginnen,<br />

durch empathische Begegnung oder Focusing<br />

unbewusstes organismisches Erleben ins Selbst<br />

integrieren oder über zirkuläres Fragen, paradoxe<br />

Intervention oder lösungsorientiertes Interview<br />

bestimmte narrativ-interaktive Muster verändern<br />

will (um nur wenige Aspekte der vier Säulen zu<br />

nennen).<br />

Die vier Säulen stellen natürlich nur Grundorientierungen<br />

dar, die der schulen-zementierenden,<br />

richtlinien-fokussierten Denkweise der Gesundheitsbürokraten<br />

in der BRD Rechnung trägt. Wo<br />

immer möglich – und durch eine überfällige Reform<br />

realisierbar – sind natürlich auch Zusammenlegungen<br />

und Neuschneidungen solcher Säulen<br />

möglich, sofern sie theoretisch begründet<br />

werden und der Qualifikation des Ausbildungsteams<br />

entsprechen. Ähnlich, wie sich bereits psychoanalytische<br />

und tiefenpsychologisch fundierte<br />

Richtungen unter dem Label „psychodynamisch“<br />

zusammengefunden haben (und ggf. neue Differenzierungen<br />

herausbilden), ließen sich beispielsweise<br />

die humanistische und die systemische<br />

Grundorientierung sehr gut auch als eine<br />

Säule in einem entsprechenden Ausbildungsgang<br />

vermitteln. Ähnlich könnte man sich körperorientierte<br />

oder „expressive arts“-orientierte Ausbildungen<br />

vorstellen, die (theoretisch begründet und<br />

praktisch erprobt) aus mehren Säulen ergänzende<br />

Teile integrieren, bzw., andersherum, sich unterschiedlich<br />

Säulen zuordnen lassen.<br />

De facto finden ja im stationären Bereich solche<br />

integrativen und vielfältigen Vorgehensweisen<br />

und Angebote längst statt – dort, wo der Arm der<br />

Gesundheitsbürokraten therapeutische Innovation<br />

nicht an die Kette allzu enger antiquierter Vorstellungen<br />

legen kann.<br />

3. Integration aus der gesetzlichen und<br />

gesundheitspolitischen Perspektive<br />

Wie bereits mehrfach angeklungen, wird die auf<br />

dieser Tagung zum Leitthema erhobene „Einheitlichkeit<br />

des Berufsbildes und Vielfalt des Vorgehens“<br />

trotz aller praktischer und theoretischer<br />

Untermauerung ihrer Sinnfälligkeit und Notwendigkeit<br />

in Deutschland durch den Gesetzgeber<br />

und dessen gesundheitspolitische Umsetzungsinstanzen<br />

extrem behindert.<br />

Einerseits droht durch den „Gemeinsamen Bundesausschuss<br />

(G-BA)“ eine indikationsspezifische<br />

Zersplitterung von Psychotherapieverfahren.<br />

Andererseits wird in der BRD derzeit an der<br />

Ausbildung und Zulassung in reinen Richtlinienverfahren<br />

festgehalten – also etwa eine möglicherweise<br />

sinnvolle Differenzierung und Neu-<br />

Integration selbst von zugelassenen Verfahren<br />

bzw. Teilen davon in der Psychotherapeutenausbildung<br />

allein aufgrund bürokratischer Hemmnisse<br />

verhindert. Wie ich aus Gesprächen weiß,<br />

möchte so manches Ausbildungsinstitut integrativ<br />

und übergreifend ausbilden (unter Einbeziehung<br />

der differentiellen Befunde aus allen vier „Säulen“),<br />

wenn die Gesetzeslage nur etwas sinnvoller<br />

bzw. die bürokratischen Überwachungsorgane<br />

hier liberaler und realitätsorientierter wären.<br />

Schon die allgemein widerspruchsfrei erfolgte<br />

Aufspaltung in PP und KJP ließe sich hinterfragen:<br />

Selbstverständlich ist die therapeutische<br />

Vorgehensweise bei einem 10-Jährigen anders als<br />

bei einem 30-Jährigen, und es bedarf spezifischer<br />

Ausbildungsanteile. Dies hätte aber nicht notwendig<br />

zu zwei Berufsgruppen führen müssen.<br />

Denn auch die Vorgehensweise bei der Regulationsstörung<br />

eines Säuglings ist kaum vergleichbar<br />

mit der Vorgehensweise bei dem eben erwähnten<br />

10-Jährigen – ohne dass man, gottlob, nun auf die<br />

Idee käme, als weitere Berufsgruppen den Säuglingspsychotherapeuten<br />

und, sinngemäß, den<br />

Seniorenpsychotherapeuten etc. einzuführen.<br />

Dass bestimmte Spezialisierungen von Psychotherapeuten<br />

und/oder bestimmte Spezial-Qualifikationen<br />

sinnvoll sind, ist damit unbestritten.<br />

Schon die Bezeichnungen und Zentrierungen,<br />

welche die einzelnen Verwaltungs-Institutionen<br />

verwenden, sind recht unterschiedlich. Wobei es<br />

sich angesichts des hohen Ausmaßes an Bürokratisierung<br />

hierzulande und damit verbundenen<br />

Kernfrage, was erlaubt und was verboten ist<br />

(oder, abgemildert: was von wem bezahlt wird),<br />

keineswegs nur um Fragen der Begrifflichkeit<br />

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