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Tagungsband Landespsychotherapeutentag 2005 (PDF, 4749 kb)

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tabuisierten Aggressionen gehen bei Frau X anstatt<br />

nach außen nach innen in Form von depressiven<br />

Stimmungen und einer Reihe von Psychosomatisierungen.<br />

Es geht also primär darum,<br />

diese verdrängten und unterdrückten Gefühle<br />

freizusetzen. Vermutlich und erfahrungsgemäß<br />

liegen hinter diesen Aggressionen auch eine tiefe<br />

Trauer und Schmerz über die mangelnde Liebe<br />

und Empathie von ihren Eltern.<br />

Ihre starken Wutgefühle auf ihre Eltern hat sie<br />

auch ihren jüngsten Bruder verschoben, den sie<br />

„gehasst“ hat, weil er sich scheinbar bei den<br />

Eltern „eingeschmeichelt“ und „hinterhältig“<br />

verhalten hat. Diese Verschiebung müsste herausgearbeitet<br />

und bewusst gemacht werden.<br />

Wahrscheinlich war es für sie als Kind weniger<br />

bedrohlich, auf ihren Bruder als auf ihre Eltern<br />

wütend zu sein.<br />

5. Doch wie kommt Frau X. nun in Kontakt mit<br />

ihren verdrängten Gefühlen, oft besteht hierin<br />

eine große Schwierigkeit rein verbaler Psychotherapieverfahren,<br />

die Patienten erkennen kognitiv<br />

relativ viel von ihren Problemen, doch sie<br />

haben Schwierigkeiten, sie zu fühlen. Auf der<br />

Basis der therapeutischen Beziehung und der<br />

tiefenpsychologisch und humanistisch fundierten<br />

verbalen Arbeit würde ich ihr anbieten, auch<br />

körperlich zu arbeiten. Natürlich muss zuvor das<br />

Einverständnis für Körperarbeit gegeben worden<br />

sein. Ich würde mit ihren Kopfschmerzen<br />

beginnen bzw. dem Symptom, das in den Sitzungen<br />

selbst am stärksten auftauchen würde.<br />

Ich würde ihr vorschlagen, sich hinzulegen, die<br />

Atmung zu vertiefen und die Aufmerksamkeit<br />

auf ihren Kopf zur richten. Dann würde ich ihr<br />

anbieten, dass sie ihren Kopf sprechen lässt, was<br />

ihn so schmerzt: „Ich (Kopf) habe Schmerzen,<br />

weil...“ Wenn der Zugang zu ihrem Körpererleben<br />

noch schwierig ist, besteht auch die Möglichkeit<br />

– natürlich mit Einwilligung der Pat.-,<br />

dass ich den Kopfschmerz mit Hilfe des Drucks<br />

meiner Hände verstärke und ihr vorschlage, den<br />

erlebten Schmerz auch körperlich auszudrücken.<br />

Nach meiner Erfahrung wandelt sich der<br />

Schmerz häufig zu Ärger und Wut. Wenn sie<br />

Kontakt mit ihrem Ärger oder ihrer Wut aufnehmen<br />

kann, dann unterstütze ich sie, diese<br />

Gefühle auch körperlich auszudrücken, z.B. mit<br />

der Hand auf die Matratze zu schlagen.<br />

Nach George Downing „Wort und Körper in der<br />

Psychotherapie„ (1996) sind bei vielen Patienten<br />

affekt-motorische Systeme für Wut oder Ärger<br />

häufig wenig oder sogar gar nicht ausgebildet.<br />

Sie scheinen diese Gefühle nicht zu haben. Eine<br />

gute Möglichkeit, um mit den verdrängten Gefühlen<br />

zunächst körperlich Kontakt aufzunehmen,<br />

wäre auch das Angebot von aggressionsfördenden<br />

bioenergetischen Übungen.<br />

Wenn aber bioenergetische Übungen beim Pat.<br />

zuviel Abwehr, Widerstand oder Trotz hervorrufen,<br />

gibt es auch die Möglichkeit biodynamisch,<br />

sanfter zu arbeiten. Mit Hilfe von Übungen zur<br />

dynamischen Tiefenentspannung, wozu auch Berührungen<br />

und Massagen gehören können, kann<br />

der Widerstand „geschmolzen“ werden und Gefühle<br />

selbstregulativ freigesetzt werden. Als besonders<br />

wirksam haben sich auch die verschiedenen<br />

Formen der Atemarbeit herausgestellt, denn<br />

über die Lockerung von Zwerchfellblockaden<br />

wird erfahrungsgemäß die emotionale Wahrnehmungs-<br />

und Ausdrucksmöglichkeit erhöht. Wenn<br />

es mit Hilfe der Körperarbeit gelingt, emotionale<br />

Blockaden zu lockern und die Gefühle in Kontakt<br />

kommen, dann wird auch Selbstregulation anregt<br />

und die Pat. X beginnt, sich auch körperlich wohler,<br />

zumindest zeitweise, zu fühlen.<br />

5. Wenn nun die Pat. mit Hilfe der Körperarbeit in<br />

Kontakt mit den bisher vermiedenen Gefühlen<br />

gekommen ist, unterstütze ich den Patientin, diese<br />

Gefühle im Hier und Jetzt objektbezogen zu richten.<br />

Z.B. wird mit Hilfe von körperorientierten<br />

Rollenspielen versucht, zu explorieren, mit welchen<br />

Personen aus der Ursprungsfamilie die Gefühle<br />

eigentlich verbunden sind. Bei Frau X. würden<br />

sich Rollenspiele mit den Eltern und den Geschwistern,<br />

vor allem dem „gehassten“ Bruder<br />

anbieten. Körperorientiert insofern, als der Therapeut<br />

die Rolle des Anderen einnimmt und die Pat.<br />

damit die Möglichkeit hat, ihren z.B. ignoranten<br />

Vater wegzudrücken, zu schütteln, zu boxen etc.<br />

Wenn die Gefühle zu heftig sind, kann die Pat. sie<br />

auch symbolisch gegen einen Schaumstoffwürfel<br />

richten oder mit Aggressionsticks auf ihn einschlagen,<br />

je nachdem, was notwendig ist.<br />

Der Therapeut kann in diesem Kontext aber nicht<br />

nur Gegenüber oder Container für die negativen<br />

Gefühle sondern auch für die vermissten, ungelebten<br />

positiven Gefühle sein, z.B. kann er Halt geben,<br />

auch körperlich – Hand in den Rücken legen<br />

- Trost spenden, emotional Anteil nehmen. Sowohl<br />

in der Körperarbeit als auch in den körperorientierten<br />

Rollenspielen und Übungen findet<br />

häufig eine fokussierte Regression statt, in denen<br />

den Patientin die Möglichkeit gegeben wird, emotional<br />

nachzureifen, von Seiten des Therapeuten<br />

werden sie „nachgenährt“. Bei Frau X. wäre es<br />

z.B. wichtig, dass sie auch die unterdrückten kindlichen<br />

Bedürfnisse nach mütterliche Nähe, Für-<br />

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