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Abschied von Wachstum und Fortschritt - Technikgeschichte der ...

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Patrick Kupper: Umweltbewegung <strong>und</strong> Atomenergie ETH Zürich / <strong>Technikgeschichte</strong> / Preprint 2 / Seite 101<br />

die Wahl Kohns als Präsidenten als völlig verfehlt. Sie for<strong>der</strong>te, dass „Fachleute <strong>der</strong> Energieproduktion<br />

<strong>und</strong> Verfechter einer gezielten Verbrauchszuwachsdrosselung darin paritätisch<br />

vertreten sind, dass ihr auch Gegner <strong>der</strong> Kernenergie angehören <strong>und</strong> dass die Kommission<br />

durch eine wirklich überragende, neutrale Persönlichkeit präsidiert wird.“ In <strong>der</strong> Folge erweiterte<br />

<strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrat die Kommission um zwei Mitglie<strong>der</strong>, wobei er die SGU einlud, einen<br />

Vertreter zu delegieren. Die SGU entsandte daraufhin ihren Präsidenten Meinrad Schär, wobei<br />

sie sich aber den Rückzug vorbehielt, falls die „ökologischen Gesichtspunkte in <strong>der</strong><br />

Kommissionsarbeit nicht o<strong>der</strong> nur in ungenügendem Masse berücksichtigt werden.“ 439 1977<br />

sollte es dann ob dieser Klausel zu einem offenen Streit innerhalb <strong>der</strong> SGU kommen: Aktive<br />

Mitglie<strong>der</strong> sahen die Gesellschaft als ökologisches Feigenblatt <strong>der</strong> GEK missbraucht <strong>und</strong><br />

legten Schär den Rücktritt aus <strong>der</strong> Kommission nahe. Schär opponierte <strong>und</strong> trat statt dessen<br />

unter Protest <strong>und</strong> gewaltigem Medienecho aus <strong>der</strong> SGU aus. 440<br />

Die Ernennungen für die GEK zeigten zweierlei: Erstens gab es 1974 auch im Energiebereich<br />

kein Vorbeikommen mehr an den Vertretern des Umweltschutzes. Zweitens war es <strong>der</strong> SGU<br />

mit <strong>der</strong> frühzeitigen Besetzung des Themas „Gesamtenergiekonzeption“ gelungen, nur drei<br />

Jahre nach ihrer Gründung, in die innersten Zirkel <strong>der</strong> schweizerischen Verhandlungsdemokratie<br />

einzudringen: die Expertenkommissionen (wobei es ehrlicher wäre, diese als „Interessensvertreterkommissionen“<br />

zu bezeichnen).<br />

Einen an<strong>der</strong>en Weg hatte im Sommer 1974 eine <strong>von</strong> Politikern, Wissenschaftlern, Vertreter<br />

<strong>von</strong> Umweltschutzorganisationen <strong>und</strong> den Schriftstellern Dürrenmatt, Frisch <strong>und</strong> Muschg<br />

unterzeichnete Eingabe an den B<strong>und</strong>esrat vorgeschlagen: Die Unterzeichneten wollten mit<br />

<strong>der</strong> Einsetzung einer gleichberechtigten, ökologisch orientierten Alternativkommission ein<br />

Gegengewicht schaffen. Die treibende Kraft hinter diesem Projekt war Theo Ginsburg, sein<br />

Epizentrum die Wissenschaftlergruppe des NAWU. 1975 band die GEK die NAWU-Gruppe<br />

in ihre Arbeiten ein, indem sie ihr den Auftrag erteilte, eine Stabilisierungsvariante auszuarbeiten.<br />

Als die GEK diese nicht publik machte, gründeten daran interessierte Kreise im September<br />

1976 die Schweizerische Energiestiftung (SES). Damit entstand aus dem Projekt einer<br />

Alternativ-GEK eine neue soziale Bewegung, die zu einer prägenden Kraft in den weiteren<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzungen um die Atomkraftwerke wurde. 441<br />

5.3.4. Der WWF gegen den Bau <strong>von</strong> Atomkraftwerken<br />

1970 erschien in <strong>der</strong> WWF-Zeitschrift „Panda“ ein zweiteiliger Artikel <strong>von</strong> Wolfgang Naegeli<br />

mit dem Titel „Zerstörung, Schutz <strong>und</strong> Planung <strong>der</strong> Umwelt Europas“. Darin bezeichnete<br />

<strong>der</strong> Redaktor des „Panda“ die Atomkraftwerke wegen ihrer Wärmeabgabe als „die<br />

schlimmsten Gewässerverschmutzer“. 442<br />

Das AKW-Thema wurde dann aber erst wie<strong>der</strong> Ende 1972 aufgenommen. In <strong>der</strong> 4. Nummer<br />

dieses Jahres rückte das „Panda“ einen Aufsatz <strong>von</strong> Theo Ginsburg ein: „Ist die Zukunft<br />

439 Zur GEK-Ernennung: SPJ, 1974, S. 86. Protest <strong>der</strong> SGU: NuM, 4/1974, S. 181; Beteiligung <strong>der</strong> SGU an <strong>der</strong> GEK<br />

unter Vorbehalt: ArW 68.4.1, ProVA 35, 30.8.1974, S. 2; NZZ, 2.9.1974. Die SGU bildete zur Unterstützung <strong>von</strong><br />

Schär einen FA Energie, an dem sich auch an<strong>der</strong>e Umweltorganisationen beteiligten. ArW 68.4.1, ProV 38,<br />

22.10.1974, S.1f; 41, 17.12.1974, S. 1.<br />

440 Büchel, S. 81f; Bulletin SGU, 2/91, S. 8.<br />

441 Offener Brief an den B<strong>und</strong>esrat, unterzeichnet <strong>von</strong> 22 Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Umweltschutz, Politik<br />

<strong>und</strong> Kultur: NuM, 4/1974, S. 181f. Zur Gründung <strong>der</strong> SES, an <strong>der</strong> neben Leuten <strong>der</strong> NAWU, das NWA, die<br />

SSES <strong>und</strong> das GDI beteiligt waren: Ginsburg 1987; Matthias Zimmermann, Als die SES erstmals Zähne zeigte,<br />

in: Energie&Umwelt 1/1996, S. 18-20. Ginsburg versuchte 1974 auch, die Umweltorganisationen für eine breit<br />

abgestützte Alternativkommission auf privater Basis zu gewinnen. Diese konzentrierten sich aber vorerst auf<br />

die Mitarbeit in <strong>der</strong> GEK. SGU: ArW 68.4.1, ProVA 35, 30.8.1974, SBN: ArSBN, B1.1, ProV 65/5, 11.9.1974, S.4;<br />

65/6, 13.11.1974, S.3f.<br />

442 Panda, 3/1970, S. 3-7; 4/1970, S. 7-13. Zu AKW: 4/1970, S. 7f. Neben <strong>der</strong> thermischen Verschmutzung <strong>der</strong><br />

Gewässer befürchtet Naegeli auch eine regionale Klimaverschlechterung. Zu den folgenden Ausführungen<br />

vgl. auch Büchel, S. 43-47.

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