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Abschied von Wachstum und Fortschritt - Technikgeschichte der ...

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Patrick Kupper: Umweltbewegung <strong>und</strong> Atomenergie ETH Zürich / <strong>Technikgeschichte</strong> / Preprint 2 / Seite 37<br />

den grossen Auseinan<strong>der</strong>setzungen <strong>der</strong> 50er Jahre um die Kraftwerksbauten bei Rheinau<br />

<strong>und</strong> an <strong>der</strong> Spöl. 147<br />

Die trotz antimo<strong>der</strong>ner <strong>und</strong> technikkritischer Gr<strong>und</strong>haltung atomgläubige Ausrichtung des<br />

Naturschutzes illustriert ein 1956 im „Schweizer Naturschutz“ erschienener Artikel zur<br />

Energiefrage. Der Autor prangerte zunächst einmal „die Vergnügungs- <strong>und</strong> Verschwendungssucht<br />

des mo<strong>der</strong>nen Großstadt- <strong>und</strong> Massenmenschen“ an. Trotzdem sah er aber ein,<br />

dass es „eine schwierige Zeit geben [wird], wenn nicht bald mehr Energie produziert wird“.<br />

Nach einer Aufzählung <strong>der</strong> neusten Entwicklungen <strong>der</strong> US-Amerikaner <strong>und</strong> Russen in <strong>der</strong><br />

Atomtechnologie brachte <strong>der</strong> Autor eine weitere Alternative ins Spiel - allerdings nur als<br />

Zwischenlösung auf dem Weg zur Atomenergienutzung.<br />

„Als Ersatz könnten einige thermische Grosswerke gebaut werden. Wir benötigen Erfahrungen<br />

auf diesem Gebiet, wenn wir später Nuklearenergie auszunützen wünschen.“<br />

148<br />

Die Atomtechnologie sollte wenn nicht eine Versöhnung, so doch zumindest ein Nebeneinan<strong>der</strong><br />

<strong>von</strong> Technik <strong>und</strong> Natur ermöglichen. Im Hinblick auf die zukünftigen Segnungen <strong>der</strong><br />

Atomenergie schmolzen alte Gegensätze dahin: Progressive <strong>und</strong> Konservative, Technikbegeisterte<br />

<strong>und</strong> Naturbewahrer, sie alle setzten gewaltige Hoffnungen in die neue Technologie;<br />

o<strong>der</strong> wie Mysyrowicz treffend formuliert hat:<br />

„l'image mythique de l'énergie nucléaire a pu simultanément exalter les rêves prométhéens<br />

des uns et nourrir la nostalgie d'une nature préservée des agressions de la technique<br />

industrielle, des autres.“ 149<br />

Die Tradition des „Atomzeitalter“-Arguments im Naturschutzdiskurs erklärt, warum die<br />

gr<strong>und</strong>sätzlichen Positionen in <strong>der</strong> AKW-Debatte Mitte <strong>der</strong> 60er Jahren bereits seit geraumer<br />

Zeit geklärt waren. Die Naturschützer argumentierten entsprechend einheitlich. Neu war<br />

alleine, dass die kommerzielle Nutzung <strong>der</strong> Atomenergie nun in konkrete Nähe rückte <strong>und</strong><br />

nicht mehr nur als wünschenswerte, bei allem zeitgenössischen Optimismus aber noch ungewisse<br />

Zukunftsmelodie erklang.<br />

4.1.2. Die Diskussionen im SBN (1962-66)<br />

Die interne Meinungsbildung<br />

Jakob Bächtold, Präsident des SBN <strong>von</strong> 1961 bis 1969, fiel bereits zu Beginn <strong>der</strong> 60er Jahre<br />

durch seine öffentliche Aktivität auf dem Gebiet <strong>der</strong> Atomenergie auf. Um 1961/62 legte<br />

Bächtold ein Projekt für ein unterirdisches „Atomheizkraftwerk“ im Sandstein <strong>der</strong> Engelhalbinsel<br />

<strong>von</strong> Bern vor. Mit <strong>der</strong> an das Kühlwasser abgegebenen Wärme wollte er einen Teil<br />

<strong>der</strong> Stadt heizen <strong>und</strong> so die durch die vielen Ölheizungen verursachte Luftverschmutzung<br />

bekämpfen. 150<br />

147 Walter, S. 180-182.<br />

148 R.Z., Der Energiebedarf <strong>der</strong> Erde, in: SN, 4/1956, S. 114-116. In die 50er Jahre fiel auch ein erster 'Konfliktfall'<br />

zwischen Atomenergienutzung <strong>und</strong> Naturschutzinteressen - mit aus heutiger Sicht allerdings eher kuriosem<br />

Inhalt: Vom besorgten Gemein<strong>der</strong>at <strong>von</strong> Klingnau (AG) aufmerksam gemacht, wandte sich <strong>der</strong> SBN an die<br />

Reaktor AG mit <strong>der</strong> Frage, ob radioaktive Strahlen des Atomreaktors in Würenlingen, <strong>der</strong> kurz vor Betriebsaufnahme<br />

stand, die Wasser- <strong>und</strong> Zugvögel des Klingnauer Stausees vertreiben könnten. Die Antwort<br />

<strong>der</strong> Reaktor AG, unterstützt durch Gutachten <strong>von</strong> Prof. Paul Scherrer <strong>und</strong> <strong>der</strong> Strahlenbiologin Hedi Fritz-<br />

Niggli, konnte die Bedenken des SBN zerstreuen. Briefwechsel: ArSBN, K 3.4. Bericht dazu: SN, 3/1956, S. 89f.<br />

149 Mysyrowicz, S. 44.<br />

150 SN, 1/1966, S. 2. Die Idee, Atomkraftwerke für Heizzwecke zu bauen, war nicht neu. In den 50er Jahren planten<br />

Wissenschafts- <strong>und</strong> Industriekreise ein AKW an <strong>der</strong> Clausiusstrasse mitten in <strong>der</strong> Stadt Zürich. Das Werk,<br />

das sie in einer Kaverne vierzig Meter unter dem Boden errichtet wollten, sollte im Sommer Strom liefern <strong>und</strong><br />

im Winter die ETH heizen. Hug 1994, S. 177. Sicherheitsbedenken hatte man offenbar keine. Für die unterirdi-

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