Abschied von Wachstum und Fortschritt - Technikgeschichte der ...
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Patrick Kupper: Umweltbewegung <strong>und</strong> Atomenergie ETH Zürich / <strong>Technikgeschichte</strong> / Preprint 2 / Seite 34<br />
SGU neben namhaften Wissenschaftlern <strong>und</strong> Vertretern aus Wirtschaft <strong>und</strong> Verwaltung über<br />
h<strong>und</strong>ert eidgenössische Parlamentarier, was die NZZ zu folgendem Kommentar bewegte:<br />
„Es liegt somit im Bereich des Möglichen, dass die Gesellschaft für Umweltschutz sowohl<br />
im National- wie auch im Stän<strong>der</strong>at eine 'absolute Mehrheit' erlangt, so dass man<br />
eigentlich annehmen müsste, <strong>der</strong> raschen Verwirklichung ihrer Postulate könne nichts<br />
mehr im Wege stehen. Die Zukunft wird zeigen, wie ernst dieses Bekenntnis zu<br />
Schutze <strong>der</strong> natürlichen Lebensgr<strong>und</strong>lagen seiten <strong>der</strong> Parlamentarier gemeint war.“ 137<br />
Tatsächlich zerbrach diese grosse Allianz (wie in <strong>der</strong> Umweltpolitik allgemein) in kurzer<br />
Zeit: Einerseits zeigte sich an konkreten Sachfragen, dass sich unter <strong>der</strong> gemeinsamen Worthülse<br />
„Umweltschutz“ ganz unterschiedliche Standpunkte verbargen. An<strong>der</strong>erseits hatten<br />
sich viele Gruppierungen <strong>der</strong> SGU offensichtlich im Glauben angeschlossen, dass in dieser<br />
Körperschaft die zukünftige Umweltpolitik <strong>der</strong> Schweiz ausgehandelt werden würde. Den<br />
Vorstand <strong>der</strong> SGU sahen diese entsprechend als Ort <strong>der</strong> politischen Interessensvertretung. 138<br />
Der Vorstandsausschuss teilte den Vorstand deshalb in „echte“ <strong>und</strong> „unechte“ Umweltschützer<br />
ein <strong>und</strong> versuchte, bei personellen Mutationen die Gewichte zugunsten ersterer zu<br />
verschieben. 139 Ebenfalls verwehrte er „unterwan<strong>der</strong>ungsverdächtigen“ Gruppierungen die<br />
Mitgliedschaft. 140<br />
Es zeigte sich bald, dass die Rolle eines „koordinierenden Dachverbandes“, die ihr die NZZ<br />
bei <strong>der</strong> Gründung voraussagte 141 , die Möglichkeiten <strong>der</strong> Gesellschaft bei weitem überstieg.<br />
Die SGU hatte alle Hände voll zu tun mit dem Aufbau <strong>der</strong> eigenen Organisation, ihrer Situierung<br />
in <strong>der</strong> politischen Landschaft <strong>und</strong> <strong>der</strong> Lancierung <strong>der</strong> ersten Aktivitäten. Immerhin<br />
initiierte sie die Zusammenarbeit <strong>der</strong> Umweltorganisationen im sogenannten „Umweltclub“.<br />
3.3.5. Der Umweltclub<br />
In den Jahren um 1970 entstand eine grosse Zahl neuer sozialer Bewegungen im Umweltbereich.<br />
142 Dadurch erhöhte sich das Bedürfnis nach Kommunikation zwischen den einzelnen<br />
Organisationen. Auf Initiative <strong>der</strong> Gesellschaft für Umweltschutz trafen sich ab Herbst 1972<br />
die Geschäftsführer <strong>von</strong> SGU, WWF, SBN, Arbeitsgemeinschaft Umwelt (AGU), Aktion Ges<strong>und</strong>e<br />
Schweiz Jetzt (AGSJ) <strong>und</strong> Schweizerische Stiftung für Landschaftsschutz <strong>und</strong> Landschaftspflege<br />
(SLL) allmonatlich zur „Koordination zwischen zielverwandten Organisationen“.<br />
Die Sitzungen, die am Sitz <strong>der</strong> SGU abgehalten wurden, sollten die Transparenz zwischen<br />
den teilnehmenden Organisationen erhöhen <strong>und</strong> dienten <strong>der</strong> gegenseitigen Information,<br />
sowie <strong>der</strong> Koordination <strong>der</strong> Aktivitäten. 1973 wurde diese Institution „Umweltclub“ benannt.<br />
143<br />
137 NZZ, Nr. 263, 10.6.1971.<br />
138 So verlangte z.B. <strong>der</strong> Schweizerische Bauernverband quasi als Gegenleistung für die Kollektivmitgliedschaft<br />
einen Vorstandssitz. Der Antrag wurde abgelehnt. ArW 68.4.1, ProVA 4, S. 3.<br />
139 „Das längerfristige Ziel lautet: Der Kreis <strong>der</strong> Vorstandsmitglie<strong>der</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong> Kreis <strong>der</strong> echten Umweltschützer<br />
ist identisch.“ ArW 68.4.1, ProVA 13, 14.12.1972, S. 1. Vgl. auch ArW 68.4.1, ProVA 9, 3.8.1972, S. 3; 10,<br />
31.8.1972, S. 4.<br />
140 So bemühten sich z.B. Vertreter des Autotransportgewerbes um die Mitgliedschaft, obwohl die SGU ein Referendum<br />
gegen die Erhöhung <strong>der</strong> Höchstgewichte <strong>und</strong> -masse <strong>der</strong> Lastwagen angekündigt hatte. Die Mitgliedschaft<br />
wurde ihnen verwehrt. ArW 68.4.1, ProVA 9, 25.10.1971.<br />
141 NZZ, Nr. 263, 10.6.1971.<br />
142 Vgl. Zürcher 1978, S. 93-109.<br />
143 Die Administration des Umweltclubs lag ebenfalls bei <strong>der</strong> SGU. Zum Umweltclub siehe die Unterlagen in<br />
ArW 68.12.1 (Protokolle) u. 13.1 (Korrespondenz). Zur AGU vgl. Abschn. 5.3.6.