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Abschied von Wachstum und Fortschritt - Technikgeschichte der ...

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Patrick Kupper: Umweltbewegung <strong>und</strong> Atomenergie ETH Zürich / <strong>Technikgeschichte</strong> / Preprint 2 / Seite 102<br />

noch zu retten?: Modelle des <strong>Wachstum</strong>s“. Darin for<strong>der</strong>te <strong>der</strong> NAWU-Mitarbeiter eine langfristige<br />

Planung für den Übergang vom exponentiellen <strong>Wachstum</strong> zu einem Zustand des<br />

Gleichgewichts <strong>und</strong> steckte gleichsam den Analyserahmen auch für die AKW-Frage ab:<br />

„Es sei in diesem Zusammenhang speziell auf die Energiewirtschaft hingewiesen, welche<br />

innerhalb <strong>der</strong> gesamten Wirtschaftsordnung eine zentrale Stellung einnimmt. Die<br />

Energieproduktion kann (…) nicht beliebig hoch getrieben werden. Eine sinnvolle<br />

Energiekonzeption unseres Landes müsste sich deshalb in erster Linie mit <strong>der</strong> Frage<br />

auseinan<strong>der</strong>setzen, wie hoch das national <strong>und</strong> international vertretbare Niveau unserer<br />

zukünftigen Energieproduktion anzusetzen ist. Erst auf Gr<strong>und</strong> dieser richtungsweisenden<br />

Entscheidung, welche die gesamte Wirtschaftslage, aber auch die Interessen<br />

<strong>der</strong> kommenden Generationen berücksichtigen müsste, könnten dann die heute<br />

aktuellen Probleme, wie beispielsweise die sich für Ende <strong>der</strong> siebziger Jahre abzeichnende<br />

Energielücke, die nächste Ausbaustufe <strong>der</strong> Atomkraftwerke usw. auf einer seriösen<br />

Basis erarbeitet werden.“ 443<br />

Die <strong>von</strong> Ginsburg vertretene Sichtweise wurde richtungsweisend für die Behandlung des<br />

AKW-Problems in den Umweltschutzkreisen.<br />

Ende 1972 wurde <strong>der</strong> WWF dann <strong>von</strong> <strong>der</strong> SGU in die Ausarbeitung einer Stellungnahme zur<br />

Atomkraftwerksfrage einbezogen. Wolfgang Naegeli wirkte in <strong>der</strong> „Arbeitsgruppe Imboden“<br />

mit. Der WWF plädierte für eine 'härtere' Position <strong>und</strong> distanzierte sich <strong>von</strong> <strong>der</strong> Stellungnahme<br />

<strong>der</strong> SGU. 444<br />

Am 19. Juni 1973 trat <strong>der</strong> WWF mit einer eigenen Stellungnahme an die Öffentlichkeit, <strong>der</strong>en<br />

Titel - „WWF gegen den Bau <strong>von</strong> Atomkraftwerken“ - bereits die schärfere Gangart anzeigte.<br />

Wie zuvor die SGU for<strong>der</strong>te <strong>der</strong> WWF eine Gesamtenergiekonzeption, „um Energieverschwendung<br />

zu vermeiden <strong>und</strong> Umweltbelastungen zu reduzieren“. Im Gegensatz zur SGU<br />

betonte <strong>der</strong> WWF aber nun die ungelösten Probleme <strong>der</strong> Atomenergie <strong>und</strong> trat für ein Moratorium<br />

beim Bau <strong>von</strong> Atomkraftwerken ein. Die Stellungnahme strich auch die gesellschaftliche<br />

Dimension <strong>der</strong> Angelegenheit heraus:<br />

„Eine Besinnungspause schadet nichts <strong>und</strong> wird im Gegenteil einen Denkanstoss für<br />

die Neuorientierung <strong>der</strong> Werte bewirken.“ 445<br />

Das folgende „Panda“, 3/1973, widmete sich schwerpunktmässig <strong>der</strong> Atomenergie. Sein<br />

Titelbild zeigte eine Skeletthand, die den Stecker eines Stromkabels zur Buchse führt.<br />

Daneben stand die Frage: „Kernenergie für ein glücklicheres Leben?“. Das Bild war eine sarkastische<br />

Abwandlung des Covers <strong>der</strong> bei den Atomenergiekritikern verrufenen Kernenergiebroschüre<br />

<strong>der</strong> SVA. Der WWF bezeichnete dies später als Fehler, <strong>der</strong> einen ungewollt<br />

polemischen Eindruck erweckt habe, <strong>und</strong> entschuldigte sich beim SVA. 446<br />

Im Editorial setzte Wolfgang Naegeli das Thema in seine Relationen, indem er hervorhob,<br />

dass es sich „bei <strong>der</strong> ganzen Auseinan<strong>der</strong>setzung um die Kernenergie lediglich um ein Symptom<br />

<strong>der</strong> Umweltkrise handelt, das (…) sich letztlich aus <strong>der</strong> <strong>Wachstum</strong>sproblematik ergibt.“<br />

„Währenddem die Elektrizitätswirtschaft die Prognosen für ein weiteres <strong>Wachstum</strong><br />

sowie die darauf basierenden Extrapolationen des Stromverbrauchs als unabän<strong>der</strong>liche<br />

Tatsache hinnimmt <strong>und</strong> glaubt, die ihr daraus erwachsenden Aufgaben nur mit<br />

443 Panda, 4/1972, S. 18-25. Zitat: S. 23. Der Artikel beruhte auf dem Vortrag Ginsburgs am 2. Umweltsymposium<br />

<strong>der</strong> HSG: Theo Ginsburg, Exponentielles <strong>und</strong> logistisches <strong>Wachstum</strong>, in: Horn u.a., S. 119-148.<br />

444 Siehe Abschn. 5.3.3.<br />

445 Panda, 2/1973, S. 6f.<br />

446 Entschuldigung: Panda 1/1974, S. 3. Stiftungspräsident Hüssy sagt, dass die Abwandlung unbewusst geschehen<br />

sei, was aber angesichts <strong>der</strong> Bekanntheit <strong>und</strong> Verrufenheit <strong>der</strong> SVA-Broschüre in den Umweltkreisen<br />

nicht glaubwürdig ist.

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