Abschied von Wachstum und Fortschritt - Technikgeschichte der ...
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Patrick Kupper: Umweltbewegung <strong>und</strong> Atomenergie ETH Zürich / <strong>Technikgeschichte</strong> / Preprint 2 / Seite 114<br />
bei, das auch in <strong>der</strong> Öffentlichkeit auf starke Resonanz stiess <strong>und</strong> grosse Verbreitung fand,<br />
nicht zuletzt in den aktivistischen Teilen <strong>der</strong> Anti-AKW-Bewegung. Die Broschüre „Stop <strong>der</strong><br />
Energieverschwendung: Energiepolitisches Manifest des B<strong>und</strong>es für Naturschutz“ erschien<br />
anfangs Juli 1974 als Beiheft zum Schweizer Naturschutz. 503<br />
Methodisch ist dieser Abschnitt gleich aufgebaut wie <strong>der</strong> Abschnitt 4.2, <strong>der</strong> den Atomenergiediskurs<br />
in den Zeitschriften des SBN <strong>und</strong> Rheinaub<strong>und</strong>es Mitte <strong>der</strong> 60er Jahre zum Thema<br />
hat. In einem ersten Teil werde ich die Argumentation des Manifests nachzeichnen, die<br />
ich dann in einem zweiten Teil mit meinem Frageraster konfrontiere. 504<br />
5.4.1. Die Argumentation<br />
Im Vorwort erklärte SBN-Präsident Willy Plattner, wieso <strong>der</strong> SBN ein Manifest zur Energiepolitik<br />
herausgab:<br />
„Sicher stellt die Energiepolitik keine Frage des engern Arbeitsbereiches des Naturschutzes<br />
dar. Indirekt aber ist das Problem <strong>von</strong> grösster Bedeutung, denn ein sparsamer<br />
Gebrauch <strong>von</strong> Energie schont nicht nur Naturgüter, son<strong>der</strong>n bremst auch die indirekt<br />
mit dem Energieverbrauch verb<strong>und</strong>ene zusätzliche Belastung <strong>der</strong> Landschaft.<br />
Somit spielt die Energiepolitik eine ganz entscheidende Rolle auch für den Naturschutz<br />
im engeren Sinne. 505<br />
Das Manifest glie<strong>der</strong>te sich in drei Kapitel: 1. „Problematisches Wirtschaftswachstum“, 2.<br />
„Grenzen <strong>der</strong> Energieproduktion“, 3. „Gr<strong>und</strong>züge einer Neuorientierung“. Vorwort <strong>und</strong><br />
Aufbau charakterisierten bereits den neuen Blickwinkel des SBN auf den Energiebereich <strong>und</strong><br />
die Atomenergie.<br />
Das erste Kapitel problematisierte das Wirtschaftswachstum: Es bestehe ein direkter Zusammenhang<br />
zwischen wirtschaftlichem <strong>Wachstum</strong> <strong>und</strong> Umweltbelastung.<br />
„Denn eine wirtschaftliche Tätigkeit - vor allem im industriellen Rahmen - belastet<br />
meistens auf <strong>der</strong> Produktions- wie auf <strong>der</strong> Konsumseite in mehr o<strong>der</strong> weniger starkem<br />
Ausmass die Umwelt.“ 506<br />
Die Energie funktioniere als Motor des wirtschaftlichen <strong>Wachstum</strong>s, welches sich in <strong>der</strong> bisherigen<br />
Form als zerstörerisch erwiesen habe. Deshalb dürfe die Energiepolitik nicht mehr<br />
länger im Zeichen <strong>der</strong> Nachfragebefriedigung stehen.<br />
„Die Energiepolitik ist vielmehr bewusst in den Dienst <strong>der</strong> <strong>Wachstum</strong>sbeschränkung<br />
<strong>und</strong> <strong>Wachstum</strong>slenkung zu stellen.“ 507<br />
Das zweite Kapitel thematisierte die Grenzen <strong>der</strong> Energieproduktion <strong>und</strong> zwar bezüglich<br />
Ressourcen, Auslandabhängigkeit <strong>und</strong> Umweltbelastung. Die Analyse differenzierte zwischen<br />
den einzelnen Energieträgern. Die Ressourcen seien sowohl bei fossilen Brennstoffen<br />
wie bei Uran beschränkt. Unter dem Eindruck <strong>der</strong> Erdölkrise widmete das Manifest eine<br />
längere Passage dem Thema <strong>der</strong> Auslandabhängigkeit <strong>der</strong> Energieversorgung. Diese werde<br />
sich bei weiter exponentiell steigendem Verbrauch unabdingbar verstärken, ganz gleich welche<br />
Energieträger gewählt würden. Unter den Umweltbelastungen wurde ausgeführt: Ge-<br />
503 SBN 1974, Vorwort. Zur Entstehungsgeschichte <strong>und</strong> zur öffentlichen Resonanz des Manifests siehe Abschn.<br />
5.3.5. Die SGU unterstützte das Manifest „ohne Einschränkung“. NuM, 4/1974, S. 181.<br />
504 Zur Methode siehe Abschn. 2.2. Frageraster: Gegebenes - Unbekanntes/Unklares, Zwingendes - Unmögliches,<br />
Wünschenswertes - Befürchtetes, Zeitbestimmungen - Ortsbestimmungen.<br />
505 SBN 1974, Vorwort.<br />
506 Ebd., S. 2.<br />
507 Ebd., S. 7. Das Manifest lehnte die „Durchbrecher-These“ ab, die besagte, dass die technischen <strong>Fortschritt</strong>e die<br />
durch das <strong>Wachstum</strong> bedingten höheren Umweltbelastungen ausgleichen könne. Ebenso verneinte es die<br />
„Sättigungsthese“, die besagte, dass das <strong>Wachstum</strong> aus ökonomischen Gründen <strong>von</strong> selbst zum Stillstand<br />
komme. Ebd., S. 4-7.