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Abschied von Wachstum und Fortschritt - Technikgeschichte der ...

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Patrick Kupper: Umweltbewegung <strong>und</strong> Atomenergie ETH Zürich / <strong>Technikgeschichte</strong> / Preprint 2 / Seite 47<br />

Bei <strong>der</strong> Nutzung insbeson<strong>der</strong>e hochalpiner Gewässer bestehe dagegen ein „latentes Dauerrisiko“<br />

durch Naturkräfte, „<strong>der</strong>en Beherrschung nicht in jedem Fall in <strong>der</strong> Macht des Menschen<br />

steht. Sind aber bei <strong>der</strong> friedlichen Nutzung <strong>der</strong> Atomkraft nicht je<strong>der</strong>zeit kontrollierbare<br />

Kräfte am Werk?“ 201<br />

Zu den mit <strong>der</strong> Radioaktivität verb<strong>und</strong>enen Problemen meinte auch Bächtold:<br />

„Das Problem <strong>der</strong> Beseitigung <strong>der</strong> radioaktiven Abfälle darf fürs erste als gelöst betrachtet<br />

werden. Verbesserungen sind ohne Zweifel noch zu erwarten. Aber auch die<br />

Gefahr <strong>der</strong> radioaktiven Verseuchung <strong>der</strong> Umgebung (<strong>der</strong> Luft <strong>und</strong> <strong>der</strong> Gewässer) ist<br />

weitgehend gebannt.“ 202<br />

Die radioaktiven Rückstände könnten nach Belgien ins europäische Zentrum für die Aufbewahrung<br />

radioaktiver Stoffe gesandt werden. „Die Rückstände brauchen also nicht bei uns<br />

gelagert zu werden.“ 203<br />

Beide versicherten, dass die Sicherheit „wie auf keinem an<strong>der</strong>n Gebiet gewährleistet“ 204 <strong>und</strong><br />

eine Explosion des Reaktors technisch unmöglich sei:<br />

„Ein Atomkraftwerk ist keine Atombombe. Es kann keine Atomexplosion, son<strong>der</strong>n<br />

höchstens eine Dampfexplosion vorkommen, gegen die man sich, wie bei einem thermischen<br />

Kraftwerk schützen kann.“ 205<br />

Immerhin warnte Bächtold vor allzu grossem Optimismus <strong>und</strong> plädierte für unterirdische<br />

Anlagen <strong>und</strong> „eine strenge, wirksame Kontrolle <strong>der</strong> Luft <strong>und</strong> des Wassers im Einflussbereich<br />

eines Atomkraftwerks“. 206<br />

In den internen Diskussionen wurde die Sicherheitsproblematik einiges ernster genommen.<br />

Dies zeigt, dass die Geringschätzung <strong>der</strong> Risiken neben dem festen Glauben in die Möglichkeiten<br />

<strong>der</strong> Technik <strong>und</strong> dem blinden Vertrauen in die Aussagen <strong>der</strong> Fachleute auch taktisch<br />

bedingt war. Im Sommer 1966, also erst nach <strong>der</strong> 'heissen' Phase <strong>der</strong> energiepolitischen Weichenstellungen,<br />

unternahm Jakob Bächtold dann auch einen Vorstoss im Nationalrat: Am 29.<br />

Juni reichte er eine Interpellation ein, die den B<strong>und</strong>esrat auffor<strong>der</strong>te, zu einer ausführlichen<br />

Liste <strong>von</strong> Sicherheitsfragen bezüglich <strong>der</strong> Atomkraftwerke Auskunft zu geben. 207<br />

Die Zukunft <strong>der</strong> Energieversorgung sahen die Autoren in einem Zusammenspiel <strong>von</strong> Atomkraft-<br />

<strong>und</strong> Pumpspeicherwerken. Ab 1970 könne, rechnete Jakob Bächtold vor, <strong>der</strong> anfallende<br />

Mehrbedarf an Elektrizität vollständig durch den Bau <strong>von</strong> Atomkraftwerken gedeckt<br />

werden. Da sich Atomkraftwerke aber - zumindest vorerst - nur für den Dauerbetrieb <strong>und</strong><br />

somit für die Deckung <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lasten eignen würden, sollen sie durch (Pump-<br />

)Speicherwerke ergänzt werden, welche die Bedarfsspitzen übernehmen könnten. Die Erstellung<br />

einiger kleiner Speicherwerke sei deshalb noch wünschenswert, obwohl „im Prinzip die<br />

Ära <strong>der</strong> Wasserkraftnutzung abgeschlossen“ sei. 208 Daneben frönte Bächtold einigen techni-<br />

201 Ebd. S. 36. Es geht nicht klar aus dem Text hervor, ob die Formulierung des zitierten Satzes als Frage rhetorisch<br />

o<strong>der</strong> als Hinweis auf noch Ungeklärtes gemeint ist.<br />

202 Bächtold 1, S. 67.<br />

203 Bächtold 3, S. 2. Vgl. auch Bächtold 2, S. 114.<br />

204 Bächtold 1, S. 66.<br />

205 Bächtold 3, S. 3. Vgl. auch Kraus, S. 35.<br />

206 Bächtold 1, S. 66f.<br />

207 Bächtolds Liste umfasste sieben Fragen, welche folgende Probleme ansprachen: Explodieren des Reaktorgehäuses,<br />

Anlage in einer Kaverne, radioaktiv verseuchte Abluft, radioaktive Teilchen im Wasser, radioaktive<br />

Rückstände, Strahlendosen bei Normalbetrieb, Kontroll- <strong>und</strong> Überwachungsinstanzen. NuM, Juli/Aug 1966,<br />

S. 40. Zu den SBN-internen Gesprächen über die Sicherheit <strong>der</strong> AKW siehe Abschn. 4.1.2. Unter den archivierten<br />

Unterlagen befindet sich auch ein vierseitiges Flugblatt „Atomenergie - Segen o<strong>der</strong> Fluch?“, im Frühjahr<br />

1965 in Luzern <strong>von</strong> einem „Aktionskomitee für Aufklärung über die Atomgefahren“ herausgegeben. ArSBN,<br />

K 3.4.<br />

208 Diese Zukunftsvision findet sich in sämtlichen Texten Bächtolds, sowie bei Kraus, S. 36, Ruchti, S. 69. Konkrete<br />

Berechnungen z.B. in Bächtold 2 <strong>und</strong> 4.

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