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Abschied von Wachstum und Fortschritt - Technikgeschichte der ...

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Patrick Kupper: Umweltbewegung <strong>und</strong> Atomenergie ETH Zürich / <strong>Technikgeschichte</strong> / Preprint 2 / Seite 27<br />

3,3prozentigen <strong>Wachstum</strong> unseres realen Bruttosozialproduktes -, <strong>und</strong> alle 6,3 Sek<strong>und</strong>en<br />

verdoppelt sich eine Spezies, nämlich <strong>der</strong> Homo sapiens.“ 113<br />

Um 1972 lässt sich eine Wandlung im Umweltdiskurs erkennen: Die Suche nach alternativen<br />

Wegen <strong>der</strong> Entwicklung löste die Apokalypseszenarien <strong>der</strong> vorangehenden Jahre ab. Den<br />

Auftakt machte im Januar 1972 das englische Umweltmagazin „The Ecologist“, das einen<br />

„blueprint for survival“ publizierte, ein 26-Punkte-Programm, das zu einer neuen umweltgerechten<br />

<strong>und</strong> humanen Gesellschaftsordnung führen sollte. 114 1973 erschien das Buch des<br />

deutschen Ökonomen E.F. Schumacher mit dem bis heute sprichwörtlich gebliebenen Titel<br />

„Small is Beautiful“. Der programmatische Untertitel <strong>der</strong> deutschsprachigen Ausgabe lautete<br />

„Die Rückkehr zum menschlichen Mass“. 115 Diese <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Entwürfe konkretisierten sich<br />

im Leitbild <strong>der</strong> „sanften Gesellschaft“: einer Gesellschaft, die durch die dezentrale Organisation<br />

in kleinen, überschaubaren <strong>und</strong> geschlossenen Kreisläufen charakterisiert wurde. Sie<br />

bildete die ideologische Gr<strong>und</strong>lage einer breitgefächerten Alternativkultur, die <strong>von</strong> Wohngemeinschaften<br />

über Dritte-Welt-Bewegungen bis zu Umwelt- <strong>und</strong> Anti-AKW-<br />

Organisationen reichte. Einen unmittelbaren Ausdruck fand sie zum Beispiel in <strong>der</strong> Aussteigerbewegung,<br />

die verlassene Alptäler wie<strong>der</strong>besiedelte. 116<br />

3.3. Die Akteure: Die Natur- <strong>und</strong> Umweltschutzorganisationen<br />

In diesem Abschnitt werden Geschichte <strong>und</strong> Aufbau <strong>der</strong>jenigen Umweltorganisationen, die<br />

im Zentrum <strong>der</strong> folgenden Untersuchungen stehen, in <strong>der</strong> Reihenfolge ihrer Entstehung behandelt,<br />

wobei sich die Darstellung auf die Jahre 1960-75 konzentriert.<br />

3.3.1. Der Schweizerische B<strong>und</strong> für Naturschutz (SBN)<br />

Der Schweizerische B<strong>und</strong> für Naturschutz (SBN) wurde 1909 im Zusammenhang mit <strong>der</strong><br />

Errichtung des Schweizerischen Nationalparks im Engadin ins Leben gerufen. Als Massenorganisation<br />

konzipiert, hatte <strong>der</strong> SBN die Aufgabe, die für den Nationalpark nötigen Geldmittel<br />

aufzubringen. Die Initiative stiess auf ein breites Echo: 1913 zählte <strong>der</strong> SBN bereits um<br />

die 25'000 Mitglie<strong>der</strong>.<br />

Bald schon übernahm <strong>der</strong> B<strong>und</strong> die Führungsrolle in <strong>der</strong> schweizerischen Naturschutzbewegung<br />

<strong>und</strong> dehnte seine Aktivitäten über den eigentlichen Gründungszweck hinaus aus.<br />

Er schuf weitere Naturreservate, in <strong>der</strong>en Betreuung <strong>und</strong> Erweiterung er fortan einen grossen<br />

Teil seiner Mittel steckte, setzte sich für den Tier- <strong>und</strong> Pflanzenschutz ein <strong>und</strong> fand im<br />

Landschaftsschutz ein weiteres, in <strong>der</strong> Folge sehr konfliktreiches Betätigungsfeld. Zu seinen<br />

Hauptzielen gehörte auch die Verbreitung des Naturschutzgedankens, insbeson<strong>der</strong>e unter<br />

<strong>der</strong> Jugend. 117<br />

Seit 1926 veröffentlichte <strong>der</strong> SBN eine eigene Zeitschrift, die ab 1935 „Schweizer Naturschutz“/“Protection<br />

de la nature“ hiess. Die Mitglie<strong>der</strong> des SBN erhielten das in deutscher<br />

<strong>und</strong> französischer Sprache gehaltene Periodikum kostenlos zugestellt. Der „Schweizer Na-<br />

113 Basler 1970, S. 82-84. Der Bauingenieur Ernst Basler war Teilhaber des Ingenieurbüros Basler & Hoffmann. Er<br />

publizierte mehrere Aufsätze <strong>und</strong> Bücher zur Umweltproblematik. Von Wissenschaftssoziologischem Interesse<br />

ist zudem, dass Basler 1969/70, unmittelbar vor <strong>der</strong> Ausarbeitung des Berichts „Die Grenzen des <strong>Wachstum</strong>s“,<br />

als Gastprofessor am MIT weilte. Basler 1972, S. 7.<br />

114 The Ecologist, Vol. 2, No. 1, Jan. 1972. Unter dem Titel „Planspiel zum Überleben: Ein Aktionsprogramm“<br />

erschien <strong>der</strong> Text bereits 1972 auf dem deutschsprachigen Büchermarkt (Goldsmith/Allen).<br />

115 Schumacher 1973/1977.<br />

116 Zeitgenössische Aufsätze zur „sanften Gesellschaft“: Zahn, Jungk. Zur Aussteigerbewegung, <strong>der</strong>en Exponenten<br />

auch despektierlich als „Öko-Freaks“ bezeichnet wurden: Kupper, S. 17-19. Einen Überblick über die breite<br />

Verästelung <strong>der</strong> Alternativkultur, die auch auf Traditionen <strong>der</strong> „68er“-Bewegung zurückgreifen konnte,<br />

geben die Alternativkataloge <strong>der</strong> „Dezentrale“. Alternativkatalog 1975, 1976, 1978.<br />

117 Zur Geschichte des SBN vgl. Bachmann, Burckhardt, SBN 1993, Sken<strong>der</strong>ovic 1992, Walter.

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