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Abschied von Wachstum und Fortschritt - Technikgeschichte der ...

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Patrick Kupper: Umweltbewegung <strong>und</strong> Atomenergie ETH Zürich / <strong>Technikgeschichte</strong> / Preprint 2 / Seite 78<br />

zwei mögliche Varianten <strong>der</strong> zukünftigen Entwicklung <strong>der</strong> Kernenergieproduktion darstellen.<br />

Die zugr<strong>und</strong>e gelegten „jährlichen Zuwachsraten“ <strong>von</strong> 4,5% respektive 5,5% liegen in<br />

<strong>der</strong> Grössenordnung des damals prognostizierten Anstiegs des Stromverbrauchs <strong>der</strong><br />

Schweiz. Das <strong>Wachstum</strong> <strong>der</strong> Leistung <strong>und</strong> die Zahl <strong>der</strong> Kraftwerke ist 'nach oben' offen, wie<br />

das an die Aufzählung <strong>der</strong> bekannten Atomkraftwerksprojekte angehängte Wörtchen<br />

„usw.“ offenbart. 346<br />

In den Jahren 1972 <strong>und</strong> 1973 wurde die Frage <strong>der</strong> Energieversorgung dann zusehends mit<br />

<strong>der</strong> Debatte um die Grenzen des <strong>Wachstum</strong>s verknüpft. Von Umweltschutzseite wurde die<br />

Drosselung <strong>der</strong> Energiezufuhr gefor<strong>der</strong>t.<br />

Am ETH-Symposium „Technik für o<strong>der</strong> gegen den Menschen“ im November 1973, also kurz<br />

nach Beginn <strong>der</strong> Erdölkrise, betonte Michael Kohn, dass die Schweiz, damit die Elektrizitätswirtschaft<br />

nur schon ihren Anteil am Energieverbrauch halten könne, bis zum Jahr 2000<br />

„mindestens 10 neue Kernkraftwerke“ in Betrieb haben müsse. Ansonsten beraube sie sich<br />

<strong>der</strong> Möglichkeit, sich „<strong>der</strong> politischen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Bevorm<strong>und</strong>ung seitens <strong>der</strong> Erdöllän<strong>der</strong><br />

besser zu entziehen“. Aber auch ökologische Gründe sprächen für die Kernenergie:<br />

„Durch Gas <strong>und</strong> Kernenergie in Form <strong>von</strong> Elektrizität <strong>und</strong> Wärme werden die flüssigen<br />

Brenn- <strong>und</strong> Treibstoffe mit ihren heutigen Immissionen zum Teil ersetzt. Umweltschutz<br />

heisst nicht nur Drosselung <strong>und</strong> Elimination - son<strong>der</strong>n auch Substitution.“ 347<br />

Am selben Symposium behauptete Trümpy, <strong>der</strong> Präsident des VSE, bereits ab 1975/76 drohe<br />

ein „Elektrizitätsmanko“, <strong>und</strong> nur <strong>der</strong> Bau <strong>von</strong> Kernkraftwerken lasse hoffen, dass dieses<br />

nur vorübergehend sei. Hierbei müsse man bedenken, dass nicht zuletzt ein aktiver Umweltschutz<br />

Strom brauche. 348 In diesem Sinne antwortete auch Rudolf Le<strong>der</strong> vom SVA auf die<br />

For<strong>der</strong>ung des WWF nach einem AKW-Bau-Moratorium:<br />

„Die einzige Möglichkeit, die technische Zivilisation mit den Umweltbedingungen in<br />

Einklang zu bringen, besteht in <strong>der</strong> Ablösung <strong>der</strong> bestehenden Durchsatz-Wirtschaft<br />

durch eine Kreislaufwirtschaft (…). Der Übergang <strong>von</strong> <strong>der</strong> Durchsatz- zur Kreislauf-<br />

Wirtschaft erfor<strong>der</strong>t aber zusätzlichen Energieverbrauch. (…) Aus diesem Gr<strong>und</strong>e ist<br />

eine Drosselung <strong>der</strong> Energieproduktion zum Zwecke <strong>der</strong> Begrenzung des <strong>Wachstum</strong>s<br />

materieller Parameter unserer Zivilisation wi<strong>der</strong>sinnig, sofern man sich zur Beibehaltung<br />

des heutigen Lebensstandards <strong>der</strong> Allgemeinheit <strong>und</strong> somit letztendlich zu einer<br />

demokratischen Gesellschaftsordnung ohne wohlstandsbevorzugte Eliten <strong>und</strong> energiebenachteiligte<br />

Mehrheiten bekennt.“<br />

Da die Vorräte an fossilen Brennstoffen ebenso begrenzt seien wie die Möglichkeiten <strong>der</strong><br />

Energieerzeugung mittels Alternativtechnologien, biete die „Nutzung <strong>der</strong> Kern-Brennstoffe<br />

in sogenannten Brutreaktoren“ den einzigen Ausweg. 349 Ähnlich argumentierte Kohn:<br />

„[Die] vehementen Gegenfor<strong>der</strong>ungen nach Stillstand <strong>und</strong> Umkehr, nach Steuerung<br />

<strong>und</strong> Drosselung des Energieangebots <strong>und</strong> die Opposition gegen neue Produktionsanlagen<br />

übersehen allesamt, dass damit Eingriffe in die Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft verb<strong>und</strong>en<br />

sind, die unsere Lebensverhältnisse entscheidend verän<strong>der</strong>n. (…) Kommandopulte<br />

unserer Kraftwerke können nicht zu Kommandostellen unserer Wirtschaft<br />

werden.“ 350<br />

Trümpy schliesslich gab seiner Überzeugung Ausdruck,<br />

346 Hochstrasser, S. 119.<br />

347 Kohn, S. 164f. Zitat: S. 165.<br />

348 Trümpy, S. 172-177. Als Beispiele für stromintensiven Umweltschutz führt Trümpy die För<strong>der</strong>ung des öffentlichen<br />

Verkehrs, die Kläranlagen <strong>und</strong> die Recyclingtechnik auf.<br />

349 Le<strong>der</strong>, S. 37-39.<br />

350 Kohn, S. 168.

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