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Buch Magazin Oktober 2013

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SPEZIAL BRASILIEN<br />

FLUT<br />

Sein Vater erschießt sich, und was<br />

ihm bleibt, sind der alte<br />

Schäferhund und eine vage<br />

Sehnsucht nach Läuterung. Er<br />

bricht auf in den Süden und mietet<br />

sich in einem kleinen Ort an<br />

der Küste ein. Er findet Arbeit<br />

als Sportlehrer, lernt eine Frau<br />

kennen, unternimmt lange<br />

Wanderungen mit dem Hund,<br />

schwimmt Stunden am Stück ins<br />

offene Meer hinaus.<br />

Vor allem aber versucht er ein<br />

Familiengeheimnis zu ergründen<br />

– sein Großvater hatte in der<br />

Gegend gelebt, bis er unter ungeklärten<br />

Umständen verschwand.<br />

Doch ein empfindliches Handicap<br />

erschwert ihm die Suche, eine<br />

neurologische Erkrankung, er<br />

kann Gesichter nicht wiedererkennen.<br />

Seine Nachforschungen<br />

jedenfalls scheinen die Anwohner<br />

aufzuschrecken, Gerüchte machen<br />

die Runde, wird er bedroht?<br />

Wem kann er trauen, wenn schon<br />

nicht sich selbst und seinen<br />

Wahrnehmungen? Allmählich<br />

begreift er, dass er das gleiche<br />

Schicksal wie sein Großvater zu<br />

erleiden droht. Und plötzlich<br />

steht ihm das Wasser bis zum<br />

Hals.<br />

Mit lichter, hypnotisierender<br />

Kraft erzählt Flut die epische<br />

Geschichte einer Suche über drei<br />

Generationen, die an die Grenzen<br />

des Menschenmöglichen führt.<br />

Autor: Daniel Galera<br />

425 Seiten, gebunden<br />

Surhkamp<br />

Euro 22,95 (D)<br />

Euro 23,60 (A)<br />

sFr 32,90 (UVP)<br />

ISBN 978-3-518-42409-4<br />

Die Obsession des Enkels<br />

Der Autor Daniel Galera über Propagnosia und Garopaba in seinem Roman “Flut” und<br />

die deutsche Literatur in Brasilien<br />

<strong>Buch</strong> <strong>Magazin</strong>: In Ihrem in<br />

Deutschland veröffentlichtem<br />

Roman “Flut” geht ein junger<br />

Mann, nach dem Selbstmord seines<br />

Vaters, auf die Suche nach<br />

der Vergangenheit seines, angeblich<br />

ermordeten, Großvaters und<br />

gerät dabei selbst in Schwierigkeiten.<br />

Woher kam die Idee für<br />

diese Geschichte?<br />

Daniel Galera: Das erste Element<br />

war eine Geschichte, die mein<br />

Vater mir erzählt hat, als ich noch<br />

ein Kind war. Er zeltete in Garopaba<br />

– die Stadt, in der der<br />

Roman spielt – in den 70er-<br />

Jahren, und da erzählten sie ihm<br />

irgendwann die Geschichte eines<br />

Bewohners, der auf einem Ball<br />

mit erloschenen Lichtern ermordet<br />

wurde. Und ich begann, mir<br />

vorzustellen, wer dieser Mann<br />

sein könnte. So entstand die Figur<br />

des Großvaters und um ihn<br />

herum entstanden dann die anderen<br />

Protagonisten und die Handlung<br />

des Romans. Der Großvater<br />

wurde zu dieser mystischen<br />

Figur, die zu einer wahren Obsession<br />

des Enkels wird, der die<br />

wahre Hauptfigur des Romans<br />

ist. Ich wollte die alltägliche Geschichte<br />

dieses einfachen Mannes<br />

erzählen, der sich ans Leben in<br />

einer kleinen Stadt an der Küste<br />

anpasst, während zur gleichen<br />

Zeit eine Art Übertragung dieses<br />

Mythos über den Großvater von<br />

einer Generation zur nächsten<br />

stattfindet.<br />

Die Hauptfigur Ihrer Geschichte<br />

hat ein seltenes Leiden. Er kann<br />

sich keine Gesichter merken,<br />

aufgrund einer Krankheit.<br />

Warum wählten Sie gerade diese<br />

Krankheit aus?<br />

Ich habe in einem <strong>Buch</strong> des portugiesischen<br />

Neurowissenschaftlers<br />

Antonio Damásio über Prosopagnosia<br />

gelesen – die Unfähigkeit,<br />

menschliche Gesichter zu erkennen.<br />

Ich dachte mir, dass das eine<br />

gute Charakteristik für einen<br />

Protagonisten wäre, und entschied,<br />

dass ich die Geschichte<br />

des Schwimmers, der das Leben<br />

seines Großvaters in einer Kleinstadt<br />

untersucht, damit spannender<br />

gestalten könnte. Diese<br />

Krankheit schafft einem viele<br />

interessante erzählerische Möglichkeiten,<br />

vom Spannungsmoment<br />

bis zur Metapher der<br />

Suche nach der eigenen Identität.<br />

Der Protagonist erzählt, dass für<br />

ihn Schönheit aufgrund seiner<br />

Krankheit immer wieder etwas<br />

Neues, Frisches ist. Somit ist<br />

Dália eingangs auch immer wieder<br />

sehr schön für ihn. Was denken<br />

Sie über die Vergänglichkeit<br />

der Schönheit in unserer Zeit?<br />

Ich weiß nicht, ob Schönheit in<br />

unserer Zeit vergänglich ist. Die<br />

Schönheit ist da, wie sie es schon<br />

immer gewesen ist. Was unserem<br />

Verhältnis zur Schönheit schadet,<br />

ist manchmal die Konsumgesellschaft,<br />

die sie aus dem Bereich<br />

des Erhabenen herausnimmt und<br />

in den Bereich des Markts einfügt.<br />

Sie zeigen einige Verhaltensweisen,<br />

wie der Protagonist<br />

versucht, Menschen wiederzuerkennen<br />

und seine Besonderheiten<br />

im Umgang mit anderen<br />

Personen. Wie haben Sie das<br />

alles recherchiert, und was<br />

davon hat Sie erstaunt?<br />

Ich recherchierte in Büchern über<br />

Neurowissenschaft und auch im<br />

Internet. Es gibt Blogs und Foren,<br />

in denen Menschen mit Prosopagnosia<br />

über ihren Zustand sprechen,<br />

Erfahrungen austauschen<br />

und versuchen, anderen zu erklären,<br />

wie es ist, mit dieser<br />

Einschränkung zu leben. Ich<br />

bekam dort viele spannende<br />

BUCH-MAGAZIN | 107

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