INTERVIEW Reisen sind nicht die zu den Orten. Sondern die zu den Menschen. Was ist Brasilian-Feeling für Sie? Samba, Bossa Nova, Forró: Das alles gibt es ja, und es verleiht Brasilien seinen ganz spezifischen Klang, den Reiz auch, den dieses Land verströmt. Aber das ist es nicht alles. Das Land hat auch eine Geschichte. Es hat eine Politik, eine Wirtschaft, ein gewaltiges gesellschaftliches Regelwerk, dessen Rädchen an zahllosen Stellen ineinandergreifen. Ich weiß darum nicht, ob es ein Gefühl ist, das mich treibt – vielleicht eher das Interesse an den Funktionsweisen einer komplexen Gesellschaft, daran, wie diese Gesellschaft sich ihren Herausforderungen stellt, mit den Problemen – und das Land hat viele Probleme – umgeht. Brasilianische Essayisten sind hervorragende Beobachter und Analytiker. Ihre Bücher lassen mich regelmäßig schaudern vor Ehrfurcht – die Erotik der Intelligenz, gewissermaßen. Und dennoch: Dem Schwung der „cozinha“, der Rhythmussektion einer Sambatruppe, kann ich mich nach wie vor nicht entziehen. Haben Sie ein brasilianisches Lieblingslied oder ein brasilianisches Lieblingsbuch? Ja, ein <strong>Buch</strong> und ein Lied. Beide passen eigentlich überhaupt nicht zueinander. Aber das macht vielleicht gerade den Reiz der brasilianischen Kultur aus, dass sie solch große Gegensätze in sich vereint. Das Lied: Ary Barroso, „Aquarela do Brasil“. Komponiert 1939, eine Hymne auf die Vielfalt der brasilianischen Kultur. Eigentlich ist der Text ausgesprochen banal und nichtssagend. Vielleicht macht gerade das aber auch seine Stärke aus – man kann sich entspannen, darf sich auch mal nichts denken beim Hören. Vor allem aber wird er getragen von einer unendlich charmanten Melodie. Ein Klassiker in Brasilien, auch wenn mit dem Lied viel Schindluder getrieben worden ist, etwa von den Generälen, die das Land fast zwei Jahrzehnte lang in der Diktatur hielten und mit dem Lied den Patriotismus ihrer Untertanen zu befeuern suchten. Und doch bleibt die Hoffnung, dass Unschuld sich auf Dauer nicht missbrauchen lässt. Und das <strong>Buch</strong>: Euclides da Cunha, „Os Sertoes“. Erschienen 1902, ein Kriegsbericht, über einen religiös motivierten Massenaufstand im brasilianischen Hinterland, der blutigst niedergeschlagen wurde. Das <strong>Buch</strong> ist ein ungeheures Wortkunstwerk. Wer es im Original lesen kann, der kann wirklich von sich behaupten, das Portugiesische zu beherrschen. Vor allem aber ist es eine nicht nur für damalige Verhältnisse atemberaubende Studie. Wie kommen Menschen dazu, für ihre Ideale ihr Leben zu Opfern? Und was treibt die Staatsmacht, die eigenen Bürger en masse zu ermorden? Fragen, die, wie wir mit Blick auf die arabische Welt sehen müssen, auch heute noch von trauriger Aktualität sind. Was wünschen Sie Brasilien für die Zukunft? Dass das Land sich von seinen historischen Altlasten befreit, gerade auch den kulturellen. Brasilien leidet an grassierender Gewalt, Jahr für Jahr sterben rund 50 000 eines gewaltsamen Todes. Das ist auch ein Erbe aus mehreren Jahrhunderten brutalisierter Geschichte. Die Gewalt der Eroberung, dann die Sklaverei, die Militärdiktatur: So etwas hinterlässt Spuren in einer Gesellschaft. Nimmt man dann die grassierende Korruption hinzu, dann hat man ein Klima, in dem individuelle Moral wenig ausrichten kann. Brasilien ist ein Lehrstück dafür, dass in der Regel nicht der Charakter die Situation, sondern umgekehrt die Situation den Charakter bestimmt. Ich wünsche Brasilien, dass es diese Gleichung in ihr Gegenteil verkehrt. Eine Utopie, gewiss. Aber auch das ist Teil des ewigen Versprechens, auf dessen Einlösung wir hoffen. Vielen Dank für das Interview Interview: Sandra Kielmann DAS KURIOSE BRASILIEN-BUCH Wolfgang Kunath ist Lateinamerika-Korrespondent, lebt seit 2002 in Rio de Janeiro. Er beantwortet in seinem <strong>Buch</strong> viele ungewöhnliche Fragen, die uns das größte Land Lateinamerikas näherbringen und in den vielen Reiseführern nicht aufgegriffen werden: - Warum werden die Brasilianer trotz Körperkult immer dicker? - Weshalb leben die Brasilianer ganz gern hinter Panzerglas und Fenstergittern? - Wieso fürchten sie den Monat August? - Was haben die Brasilianer mit uns zu tun – und wir mit ihnen? Ein spannender Einblick in eines der aufregendsten Länder der kommenden Jahre. Autor: Wolfgang Kunath 352 Seiten, TB. Fischer TB Euro 9,99 (D), Euro 10,30 (A) ISBN 978-3-596-51309-3 88 | BUCH-MAGAZIN
Foto: Jerry Bauer / Suhrkamp Verlag
- Seite 1:
VIELE BÜCHER UND DVDS ZU GEWINNEN
- Seite 4 und 5:
101 Foto: Raul Krebs / SV 86 Foto:
- Seite 6 und 7:
BELLETRISTIK KÖNIGREICH DER SCHATT
- Seite 8 und 9:
AUTOR Pieter Webeling, 1965 geboren
- Seite 10 und 11:
BELLETRISTIK schen Tochter und Vate
- Seite 12 und 13:
Foto: Volker Schäffner AUTOR Matth
- Seite 14 und 15:
AUTOR Joël Dicker wurde 1985 in Ge
- Seite 16 und 17:
BELLETRISTIK DAS WAHRE LEBEN Zwei F
- Seite 18 und 19:
BELLETRISTIK DIE UNVOLLENDETE Was w
- Seite 20 und 21:
BELLETRISTIK unerfüllten Erwartung
- Seite 22 und 23:
BELLETRISTIK die sein ganzes Leben
- Seite 24 und 25:
BELLETRISTIK dass es in dieser Welt
- Seite 26 und 27:
BELLETRISTIK Bei der fesselnden Auf
- Seite 28 und 29:
HISTORISCH Foto: pro event Andreas
- Seite 30 und 31:
INTERVIEW anders machen, nicht die
- Seite 32 und 33:
HISTORISCH Misserfolg führt. Ich b
- Seite 34 und 35:
HISTORISCH SO WIE KUPFER UND GOLD
- Seite 36 und 37:
KRIMI & THRILLER Foto: Andrzej Walk
- Seite 38 und 39: KRIMI & THRILLER dunkle Seite der g
- Seite 40 und 41: Foto: Linda Mair eBook AUTOR Carste
- Seite 42 und 43: AUTOR Georg Haderer, geboren 1973 i
- Seite 44 und 45: KRIMI & THRILLER ICH BIN UNSCHULDIG
- Seite 46 und 47: KRIMI & THRILLER BRANDBÜCHER Das N
- Seite 48 und 49: Foto: Gmeiner Verlag eBook
- Seite 50 und 51: LESEPROBE vorbereiteten Briefbogen,
- Seite 52 und 53: Foto: Regine Mosimann / Diogenes Ve
- Seite 54 und 55: KRIMI & THRILLER nem Gold überzeug
- Seite 56 und 57: andere Seiten an Scarlett, und die
- Seite 58 und 59: eBook AUTOR Cay Rademacher, geboren
- Seite 60 und 61: KRIMI & THRILLER sten politischen K
- Seite 62 und 63: KRIMI & THRILLER eigenen Tannenberg
- Seite 64 und 65: KINDERBUCH AUTORIN Elisabeth Rapp w
- Seite 66 und 67: KINDERBUCH aktiv. Jackson und seine
- Seite 68 und 69: KINDERBUCH reparieren soll. Kann si
- Seite 70 und 71: SCIENCE-FICTION & FANTASY Buch Maga
- Seite 72 und 73: SCIENCE-FICTION & FANTASY es sich a
- Seite 74 und 75: AUTOR Georg Klein, 1953 in Augsburg
- Seite 77 und 78: Fotos: Bernd & Sandra Kielmann
- Seite 79: SPEZIAL BRASILIEN WIRTSCHAFTSMACHT
- Seite 82 und 83: SPEZIAL BRASILIEN erleben weiß, de
- Seite 84 und 85: SPEZIAL BRASILIEN spinne hinter dem
- Seite 86 und 87: eBook DAS EWIGE VERSPRECHEN Brasili
- Seite 90 und 91: SPEZIAL BRASILIEN BRASILIEN, BRASIL
- Seite 92 und 93: SPEZIAL BRASILIEN DER LETZTE TAG DE
- Seite 94 und 95: INTERVIEW men werden. Es sollen bes
- Seite 96 und 97: SPEZIAL BRASILIEN sich Träume, Hof
- Seite 98 und 99: SPEZIAL BRASILIEN DIE DREI MARIAS R
- Seite 100 und 101: SPEZIAL BRASILIEN AUTOR Francisco A
- Seite 102 und 103: SPEZIAL BRASILIEN Brasilianer auch
- Seite 104 und 105: SPEZIAL BRASILIEN Als der Biologe A
- Seite 106 und 107: Foto: Raul Krebs / Suhrkamp Verlag
- Seite 108 und 109: INTERVIEW Informationen, wie zum Be
- Seite 110 und 111: SPEZIAL BRASILIEN von ihren Schulde
- Seite 112 und 113: SACHBUCH Foto: Tom Williams eBook
- Seite 114 und 115: SACHBUCH Artikel 18 der Allgemeinen
- Seite 116 und 117: Foto: Ingo Espenschied AUTORIN Mari
- Seite 118 und 119: SACHBUCH das verloren gegangene Ver
- Seite 120 und 121: HÖRBÜCHER 1984 Orwells Roman übe
- Seite 122 und 123: HÖRBUCH dig bin?" Von einem Tag au
- Seite 124 und 125: HÖRBUCH ANGELA MERKEL. DIE KANZLER
- Seite 126 und 127: HÖRBUCH „Die Harakiri-Serie“?
- Seite 128 und 129: DIES & DAS ROSA ROTH - BOX 3: FOLGE
- Seite 130 und 131: DIES & DAS Straßen und Lokale der
- Seite 132 und 133: DIES & DAS gemeinsam als Topact auf
- Seite 134 und 135: MORD IN DEN ALPEN Es gab einmal ein
- Seite 136: SPEZIAL PLATZHIRSCH Autor: Nicola F