Teil D - Hans Joss

1. Das Erkennen, dass jeder seinen eigenen Bezugsrahmen, seine eigene Sicht der
Wirklichkeit hat und somit Wirklichkeit auch anders gesehen werden kann, als ich
sie durch meine „Brille“ wahrnehme, schafft eine Bezugsrahmenerweiterung.
Wenn z.B. einem Konfliktpartner in der dritten Phase des Schlichtungsgesprächs
klar wird, dass für seinen Kontrahenten andere Aspekte des Konflikts wichtig sind,
dann erweitert sich sein Bezugsrahmen. Wie im Transkript zum Thema
„Abschreiben lassen“ erkennbar ist,
hat P seinen Bezugsrahmen dadurch
erweitert, dass er gehört hat, dass E sein Nicht – Abschreiben – Lassen als
Vertrauensbruch ihrer Freundschaft gesehen hat. Das wusste er noch nicht.
2. Das Erkennen, dass jenseits meines eigenen Bezugsrahmens noch mehr ist, von
dem ich nichts weiß, schafft ebenfalls eine Bezugsrahmenerweiterung.
Wenn laut Transkript zum Thema „Wie würde ich einen Konflikt bearbeiten?“ in
einer der ersten Ausbildungsstunden D und M sagen, sie würden den Konflikt
selbst lösen, dann haben sie am Schluss der Ausbildung erfahren, dass dies nicht
ihre Aufgabe ist und somit ihren Bezugsrahmen erweitert.
Neuen Lernstoff zu vermitteln und aufzeigen, dass man eine Sache von verschiedenen
Seiten sehen kann, ist ungefragt eine meiner Hauptaufgaben als Lehrerin. Vernetzung
der Lerninhalte und ständiges Wiederholen zur Sicherung der Nachhaltigkeit heißt, die
Weite des Bezugsrahmens zu sichern. Dann ist eigenständiges Denken möglich, ich
kann Gelerntes miteinander in Beziehung setzen und somit Probleme lösen
(problemlösendes Denken). 15
Schaffung eines Umfelds, das Anreize bietet
Wochenplanarbeit, Frei- und Projektarbeit werden an bayerischen Gymnasien immer
noch recht suspekt betrachtet. Dennoch habe ich mehrere Lernzirkel entworfen, z.B.
eine Lyrikwerkstatt, bei der die Schüler die Gedichte aus einem angegebenen Kanon
selbst aussuchen dürfen, die sie bearbeiten wollen, denn die deutsche Literatur bietet
15 s. auch Frage 6 in Teil D dieser Arbeit