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Der Führerstand der Ae 6/6 entsprach der bei den SBB-Loks der 60er- und 70er-Jahren häufig verwendeten Einheitsbauform (Aufnahme vom<br />
März 1995)<br />
Armin Schmutz<br />
das entsprechende<br />
Wappen, der Chomleistenschmuck<br />
der<br />
übrigen Kantonsloks<br />
blieb ihr aber verwehrt.<br />
Mit der 11482<br />
existierte bereits eine<br />
Lok mit Namen des<br />
neuen Kantonshauptortes<br />
„Delémont“, so<br />
dass die Umbenennung<br />
einer weiteren<br />
Maschine nicht erforderlich<br />
war.<br />
Auch im Ausland<br />
fanden die Ae 6/6 gebührende<br />
Beachtung. So<br />
wurde die „Stadt Genf“<br />
(11450) auf der Weltausstellung in Brüssel von<br />
einem breiten Publikum bestaunt. Als Ende der<br />
60er-Jahre die belgische Staatsbahn (SNCB) den<br />
Bau einer Schnellfahrlokomotive mit dreiachsigen<br />
SLM-Drehgestellen plante (spätere Serie 20),<br />
war die Kantonslok 11414 („Bern“) zu Gast in<br />
Deutschland und erreichte bei Schnellfahrten auf<br />
der Strecke Bamberg – Forchheim mehrfach<br />
200 km/h. Dazu hatte die Lok zuvor eine veränderte<br />
Getriebeübersetzung (1:1,6) erhalten, bei<br />
der Wiegenfederung wurden die beiden Blattfedern<br />
durch Flexicoil-Schraubenfedern ersetzt.<br />
Von den Bergen ins Flachland<br />
Die inzwischen als „Gotthardlok“ bezeichnete<br />
Universallok Ae 6/6 prägte 15 Jahre lang die<br />
Traktion auf der Bergstrecke, wo sie<br />
in den 60er-Jahren fast alle Schnellund<br />
nahezu alle Güterzüge bespannte.<br />
Auch auf der Simplonbahn<br />
mit ihrer 25-Promille-Rampe zwischen<br />
Domodossola und dem Simplontunnel<br />
konnte sie ihre Leistungsfähigkeit<br />
beweisen.<br />
Die ersten Konkurrenten erschienen<br />
am Gotthard Ende der<br />
60er-Jahre mit den Loks der Serie<br />
Re 4/4 II , die in Doppeltraktion<br />
Schnellzüge beförderten, und ab<br />
1971 mit den 20 Loks der Serie<br />
Re 4/4 III , einer Bergvariante der<br />
Re 4/4 II mit angepasster Getriebeübersetzung.<br />
Die endgültige<br />
„Vertreibung“ der Ae 6/6 von<br />
der Bergstrecke vollzogen aber die 85 zwischen<br />
1975 und 1980 beschafften Loks der<br />
Serie Re 6/6, die mit ihren drei zweiachsigen<br />
Drehgestellen und fast doppelter Leistung<br />
(7.850 kW) als neue Universallokomotiven<br />
am Gotthard auserkoren waren.<br />
Das Einsatzgebiet der Ae 6/6 verlagerte sich<br />
nun weitgehend ins Mittelland, wo sie zunächst<br />
hochwertige Güterzüge von den Altbauloks<br />
übernahmen. Dort konnten sie fast<br />
alle Züge in Einfachtraktion ziehen, beispielsweise<br />
die schnellen Transitzüge von Buchs<br />
nach Basel und Genf, die schweren Ölzüge<br />
von Cornaux und St. Triphon ins ganze Land<br />
oder auch die zahlreichen Nahgüterzüge mit<br />
zum Teil beträchtlicher Länge. Aufgrund ihrer<br />
Slg. Peter Kusterer<br />
dreiachsigen Drehgestelle galten sie allerdings<br />
als „Schienenfresser“, so dass sie ab den 90er-<br />
Jahren zunehmend in den weniger kilometerintensiven<br />
Einsatz vor Sammlern auf Nebenbahnen<br />
und Privatbahnen abwanderten.<br />
Im Rahmen der Divisionalisierung der SBB<br />
im Jahre 2000 wurden alle Ae 6/6 dem Geschäftsbereich<br />
SBB Cargo zugeteilt, wodurch<br />
sie ihre letzten Reisezugleistungen abgeben<br />
mussten.<br />
Abschied und plötzliche Rückkehr<br />
Mit dem Planwechsel am 9. Dezember<br />
2012 verloren die bis dahin im Mittelland und<br />
im Jura allgegenwärtigen ehemaligen Gotthardloks<br />
recht plötzlich alle Planleistungen.<br />
Zehn Exemplare wurden Anfang 2013 noch<br />
für Einsätze zu Spitzenzeiten in Reserve vorgehalten.<br />
Aber dann kam im März 2013 die Nachricht,<br />
die einschlug wie eine Bombe: Die SBB<br />
reaktivierten einige Ae 6/6 für Güterverkehrsleistungen<br />
in der Region Zürich, unter<br />
anderem Kieszüge ab Hüntwangen. Bei Redaktionsschluss<br />
waren die Ae 6/6 mit den<br />
Nummern 11419, 11427, 11430 und 11517<br />
im Betriebsdienst. So hat man in diesem Jahr<br />
doch noch die Gelegenheit, die ehemaligen<br />
Gotthardloks vor einem Güterzug zu beobachten.<br />
Vielleicht braucht es dazu etwas<br />
Glück, aber immerhin, die Karriere der Ae 6/6<br />
findet fürs Erste eine Fortsetzung. Wer hätte<br />
das beim Fahrplanwechsel 2012 gedacht?<br />
Dr. Dietmar Beckmann/GM<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 3/2013<br />
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