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Simplonbahn<br />
Anfangstage und heute: der feierliche Eröffnungszug 1906 in Brig (l.) und Re 460 der SBB bei der Ausfahrt in Iselle (r.) Slg. H.-B. Schönborn (2)<br />
Bei seiner Eröffnung am 19. Mai 1906 war er<br />
mit 19.803,10 Metern der längste Eisenbahntunnel<br />
der Welt. Zunächst hatte man parallel<br />
einen eingleisigen <strong>Bahn</strong>- und einen<br />
Hilfsstollen im Abstand von 17 Metern ausgebrochen,<br />
die alle 200 Meter durch einen<br />
Querstollen miteinander verbunden wurden –<br />
ein sicherheitstechnisch überzeugendes Konzept.<br />
Der Vollausbruch des Hilfsstollens zur<br />
zweiten Eisenbahnröhre begann sechs Jahre<br />
später. Der Tunnel wurde im Planbetrieb von<br />
Anfang an elektrisch befahren, auch wenn<br />
dem Eröffnungszug mit den Ehrengästen, darunter<br />
dem italienischen König, noch eine<br />
Dampflok vorgespannt wurde.<br />
Trotz der damals modernsten Technik und<br />
aufwendiger Installationen für die Logistik<br />
hatte es beim Bau nicht vorhersehbare Probleme<br />
gegeben. Der große Gebirgsdruck, verschiedene<br />
Bergschläge, Wassereinbrüche aus<br />
kalten und heißen Quellen sowie Gebirgstemperaturen<br />
von mehr als 50 Grad Celsius<br />
machten den Arbeitern und Planern sehr zu<br />
schaffen. Im Wallis beklagte man deshalb den<br />
schleppenden Fortgang der Bauarbeiten. Zusätzlich<br />
ärgerten sich in Brig Leute darüber,<br />
dass der internationale <strong>Bahn</strong>hof auf der anderen<br />
Seite des Tunnels im italienischen Domodossola<br />
angesiedelt wurde. Den jungen, im<br />
Wallis ungeliebten <strong>Schweiz</strong>erischen Bundesbahnen<br />
(SBB), in die 1903 auch die JS eingegliedert<br />
worden war, wurde unterstellt, die<br />
Eröffnung des Tunnels zu verschleppen, um<br />
keine Konkurrenz zur Gotthard-Strecke zu<br />
schaffen. Weil die Arbeiten auf der Nordseite<br />
im Mai 1904 wegen des Einbruchs heißer<br />
Quellen eingestellt worden waren, wurde die<br />
Hauptröhre am 23. Mai 1905 von der Südseite<br />
her durchstochen. In der Mitte des Tunnels,<br />
wo sich auch die Staatsgrenze befindet,<br />
wurde die zweite Röhre auf rund 500 Metern<br />
vollständig ausgebrochen, um eine Kreuzungsstelle<br />
errichten zu können.<br />
Elektrifizierung und zweite Röhre<br />
Da ein Dampfbetrieb in einem so langen Tunnel<br />
wegen der Emissionen sehr problematisch<br />
erschien, wies die Firma BBC aus Baden (bei<br />
Zürich) bereits 1905, während der Bauarbeiten<br />
am Simplontunnel, auf den elektrischen<br />
Betrieb in Norditalien hin. Nach einem Be-<br />
STICHWORT<br />
STAZIONE GALLERIA DE SEMPIONE<br />
Bereits beim Bau der ersten Röhre wurde in<br />
der Mitte des Simplon-Tunnels die zweite<br />
Röhre auf einer Länge von 500 Metern vollständig<br />
ausgebrochen, um die Möglichkeit für<br />
Zugkreuzungen oder -überholungen zu schaffen.<br />
Da die Weichen zunächst vor Ort bedient<br />
wurden, arbeitete jahrzehntelang ein Bediensteter<br />
in der „Stazione Galleria de Sempione“.<br />
Nachdem die zweite Röhre vollständig ausgebrochen<br />
war, bot diese Kreuzungsstelle (samt<br />
der entsprechenden Signalisierung) die Möglichkeit,<br />
Züge bis zur Tunnelmitte parallel fahren<br />
und so einen schnelleren Personen- einen<br />
langsameren Güter- oder Personenzug überholen<br />
zu lassen. In Rahmen der jetzt laufenden<br />
Modernisierung erhielt die Kreuzungsstelle<br />
ein neues elektronisches Stellwerk mit einem<br />
vom Stellwerk Brig abgesetzten Rechner.<br />
In der Mitte des<br />
Simplontunnels hält<br />
sich im Mai 2006<br />
ein Streckenwärter<br />
für Fotozwecke im<br />
Stellwerk an der<br />
Verzweigung auf.<br />
Üblicherweise wird<br />
die Strecke fernbedient,<br />
inzwischen<br />
per Computer<br />
Armin Schmutz<br />
such der Aufsichtsbehörden in Norditalien<br />
schlossen SBB und BBC am 19. Dezember<br />
1905 einen Vertrag über die Elektrifizierung<br />
der Tunnelstrecke; die Kosten und das Risiko<br />
trug BBC.<br />
Drei Lokomotiven für Dreiphasen-Drehstrom<br />
wurden von der italienischen Staatsbahn<br />
FS gemietet (RA 361 – 363, später bezeichnet<br />
als E 360 001 – 003). Zwei weitere,<br />
die eigentlich für die Veltliner <strong>Bahn</strong>en bestimmt<br />
waren, kamen fabrikneu zu den SBB<br />
(Fb 3/5, später Ae 3/5 364 – 365). Im April<br />
1906 begannen die elektrischen Probefahrten<br />
durch den Tunnel, doch am 18. Mai entschieden<br />
die SBB, die Festzüge mit Dampfloks<br />
zu führen. Der Planbetrieb ab 1. Juni 1906 erfolgte<br />
elektrisch: Zunächst waren es alle Güterzüge<br />
und ein Personenzug täglich, ab<br />
14. Juli fünf Reisezüge und ab 1. August dann<br />
alle Züge. Trotzdem verkehrten immer wieder<br />
Dampfloks, weil der Abschnitt Iselle – Domodossola<br />
noch nicht elektrifiziert war und<br />
der Simplon-Orient-Express London – Paris –<br />
Mailand durchgehend mit Dampfloks fuhr.<br />
Auf Anregung von BBC wurde die Tunnelstrecke<br />
elektrifiziert. Die Firma trug auch die Kosten<br />
Als am 27./28. Juni 1913 die Lötschberg-<br />
Bergstrecke Spiez – Brig in Betrieb ging (und<br />
Brig zum Knotenbahnhof wurde), gewann der<br />
Simplon-Tunnel weiter an Bedeutung. Bereits<br />
1912 hatten die SBB beschlossen, den Hilfsstollen<br />
zu einer zweiten Röhre auszubrechen,<br />
doch der Erste Weltkrieg verzögerte die Arbeiten.<br />
Am 16. Oktober 1922 wurde die zwei-<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 3/2013 71