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REISE & KULTUR<br />
Sanft, ängstlich und<br />
Ein herrlicher Sommertag an den Moritzburger<br />
Seen bei Dresden. Der Wind<br />
wiegt das Schilf, die Sonne glitzert auf<br />
den Wellen. Junge Frauen und Männer<br />
werfen Kleider, Hemden, Hosen ab;<br />
stürzen sich ins Nass. Am Ufer ein Picknick<br />
mit Wein, Käse, Schinken. Überall<br />
Gelächter – ein fast paradiesischer<br />
Zustand, den die Gruppe hier 1910 einen<br />
ganzen Monat lang genießt. Zeiten<br />
des Aufbruchs – die Menschen wollen<br />
sich in kein Korsett pressen lassen: im<br />
Privaten – FKK entsteht – und in der<br />
Kunst. In schneller, dichter Folge malen<br />
Erich Heckel, Max Pechstein und Ernst<br />
Ludwig Kirchner zwischen den Nackten<br />
ihre „Viertelstunden-Akte“.<br />
Nur einer steht etwas abseits. Otto<br />
Mueller, schüchtern, skeptisch, selbst<br />
mit 36 total verträumt, ein Außenseiter.<br />
Auch schnelles Malen liegt ihm nicht.<br />
Genauso wenig wie die grellen, expressionistischen<br />
Farben, die seine Künstler-<br />
Kollegen Heckel, Pechstein, Kirchner,<br />
Nolde, Schmidt-Rottluff nutzen.<br />
Umso überraschender: Pechstein,<br />
Kirchner & Co. schätzen den zurückhaltenden<br />
Mueller sehr. Zeitlebens verbindet<br />
sie eine enge Freundschaft, eine<br />
Kirchner & Co. schätzen den<br />
verträumten Außenseiter<br />
Seelenverwandtschaft – obwohl Mueller<br />
immer in ihrem Schatten steht. Einer,<br />
der sich jeder akademischen Ausbildung<br />
verweigert; einer, der trotz<br />
materieller Not immer seinem Ideal<br />
folgt. „Hauptziel meines Strebens ist,<br />
mit größtmöglicher Einfachheit Empfindung<br />
von Landschaft und Mensch auszudrücken“,<br />
schrieb er. Ein Expressionist<br />
eben. Wenn auch ein sanfter, stiller.<br />
<br />
LEIMFARBE<br />
STATT ÖL<br />
Mueller entwickelt<br />
eine Maltechnik,<br />
die er<br />
auch bei „Waldlandschaft“<br />
von<br />
1925 anwendet.<br />
Statt glänzender<br />
Öl- nimmt er<br />
matte Leimfarben.<br />
Statt glatter<br />
Leinwände<br />
Rupfen (Jute),<br />
dessen grobe,<br />
lockere Struktur<br />
den zurückgenommenen<br />
Charakter seiner<br />
Bilder verstärkt.<br />
42 1/ 2013