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DAS ARGUMENT - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Diskussion<br />

Zur Frage des Konservativismus<br />

Helga Grebing<br />

Doch noch ein Defizit an <strong>Theorie</strong>-Reflexion?<br />

Angesichts der in den letzten Jahren erschienenen z. T. umfangreichen<br />

Arbeiten über Konservatismus und Faschismus, die—selbst wenn<br />

sie Sich auf historisch-kontingente Aspekte beschränken — auf die<br />

Formulierung einer allgemeinen <strong>Theorie</strong> hinzielen, mag die Frage<br />

nach einem Defizit an <strong>Theorie</strong>-Reflexion zunächst nicht als eine relevante<br />

erscheinen.<br />

Doch auch der jüngste Versuch einer „Rekonstruktion des Konservatismus"<br />

1 zeigt die nach wie vor bestehende Neigung, <strong>Theorie</strong> mit<br />

normativ-axiomatischen Fixierungen zu verwechseln. Kaltenbrunner<br />

kritisiert mit Recht die verbreitete, auf ihren Erklärungswert hin<br />

nicht mehr befragte Tendenz, Funktion und Inhalt des Konservatismus<br />

an dessen angebliche Ursprungssituation zu binden: Konservatismus<br />

entsteht seit Karl Mannheim meist mit der Französischen<br />

(= bürgerlichen) Revolution. Selbst dort, wo diese Terminierung<br />

nicht expressis verbis erfolgt, wird der Konservatismus an vorkapitalistische<br />

Gesellschaftsstrukturen und feudale Eigentumsbeziehungen<br />

und Herrschaftsverhältnisse gebunden und als deren Rechtfertigungs-<br />

und Restaurationsideologie definiert 2 . Damit verfällt der<br />

Konservatismus der Zukunftslosigkeit, kann als obsolet und irra-r<br />

tional qualifiziert werden, und was aktuell konservativ nur scheint,<br />

gerät in den Sog des Verfallsprozesses der bürgerlichen Gesellschaft,<br />

dessen Endprodukt der Faschismus ist, sein muß.<br />

Eine andere, immer wiederkehrende Variante theoriebestimmter<br />

Aussagen über den Konservatismus gibt diesen als eine Versammlung<br />

ewig gültiger Wahrheiten und Ideen aus, die anthropologisch<br />

oder ethisch-normativ „begründet" werden (hierfür liefert Kaltenbrunners<br />

„Rekonstruktion des Konservatismus" gewissermaßen als<br />

Wiederherausbildung des „Eigentlichen" viele Beispiele).<br />

Kaltenbrunner, der diese entgegengesetzten Deutungen des Konservatismus<br />

differenziert kritisiert, kommt dann selbst nicht über<br />

1 Gerd-Klaus Kaltenibrunner (Hrsg.): Rekonstruktion des Konservatismus.<br />

Rombach Verlag, Freiburg 1972 (614 S., Ln., 52,— DM).<br />

2 Vgl. Heide Gerstenberger: Konservatismus in der Weimarer Republik,<br />

in: Kaltenbrunner (Hrsg.), Rekonstruktion des Konservatismus, a.a.O.

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