DAS ARGUMENT - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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746 Hansgeorg Conert<br />
Konsequenz einiger der angedeuteten Elemente der jugoslawischen<br />
Etatismus-Version liegt eine Konvergenzthese von Etatismus und<br />
Faschismus oder Etatismus und Kapitalismus: „Dieser Typ (charismatisch-bürokratischer<br />
Herrschaft, C.) erfuhr seine charakteristische<br />
Ausprägung in der Nazidiktatur und zu einem guten Teil auch in der<br />
pseudosozialistischen Organisation, die unter dem Namen Stalinismus<br />
bekannt geworden ist 25 ." Eine implizite Konvergenzbehauptung<br />
Etatismus-Kapitalismus liegt in der Verwendung des Ausbeutungsbegriffs<br />
zur Kennzeichnung der Aneignungsverhältnisse beider Gesellschaftstypen.<br />
Dazu sogleich noch einige Anmerkungen im Kontext<br />
der Etatismustheorie Stojanoviés 26 .<br />
Dem Anspruch nach entwickelt Stojanovic den Ansatz einer <strong>Theorie</strong><br />
des Etatismus. Wie schon angedeutet, kommt bei ihm jedoch ein<br />
entscheidendes Element der Analyse wesentlich zu kurz: die Untersuchung<br />
der historischen, vor allem der sozioökonomischen sowie<br />
auch der politischen Ursachen der politokratischen und oligarchischen<br />
Verselbständigung der Organe ursprünglich revolutionär-proletarischer<br />
Macht. Stojanovic: „Dieser Prozeß muß erst noch erforscht werden"<br />
(45). Ist aber zuvor überhaupt „eine Skizze der <strong>Theorie</strong> des<br />
Etatismus" (41) möglich?<br />
Stojanovié setzt Etatismus nicht, wie andere jugoslawische Autoren,<br />
mit Staatssozialismus gleich. Letzterer ist für ihn — offenbar als<br />
revolutionär-proletarische Diktatur im Sinne von Marx und Lenin —<br />
eine notwendige Übergangsphase zwischen Revolution und Selbstverwaltungs-Sozialismus<br />
(46). Im „Etatismus" sieht Stojanovié das<br />
Produkt einer regressiven Entwicklung, die vom Staatssozialismus,<br />
statt zunehmender Verlagerung der sozioökonomischen und politischen<br />
Entscheidungskompetenzen auf Organe plebiszitärer sozialistischer<br />
Demokratie, zur Verfestigung und Verselbständigung der zunächst<br />
interimistisch intendierten Diktatur der staatlichen und parteilichen<br />
Leistungsgremien führt. Aber welches sind die objektiven<br />
Ursachen dieser Deformation? Daß die Sozialismus-Konzeption der<br />
revolutionären Partei „eine große Rolle" spiele, befriedigt, wie schon<br />
oben gesagt, als Erklärung wenig (und nochmals: die der Bolschewiki<br />
war zwar nicht völlig konsistent, aber in ihrer Haupttendenz<br />
keineswegs „etatistisch"). Stojanovic legt das Schwergewicht seiner<br />
Ausführungen weniger auf die Analyse der Genese dieser Fehlentwicklung<br />
als vielmehr auf die Zerstörung des „etatistischen Mythos<br />
des Sozialismus". Hierunter versteht er den Anspruch der<br />
UdSSR (sowie implizit jener Staaten, die im Grundsätzlichen die<br />
sowjetische <strong>Theorie</strong> und Praxis der Übergangsgesellschaft teilen),<br />
ein Gesellschaftssystem sozialistischen Typs zu verkörpern. Es geht<br />
ihm vor allem um den Nachweis, daß der Etatismus nicht eine vorübergehende,<br />
sich mit der Änderung der objektiv-materiellen Be-<br />
25 Tadié, a.a.O., S. 199.<br />
26 Neben Stojanovié so auch Markovié: „Vom ökonomischen Standpunkt<br />
ist es für den Arbeiter egal, ob der Ausbeuter ein Kapitalist ist<br />
oder ein Bürokrat". Markovié, a.a.O., S. 79.