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DAS ARGUMENT - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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846 Besprechungen<br />

lagen, Boldt sogar als Gewährsmann für die historische Treue des<br />

Films plakatiert wurde. Allerdings entstammen diesen Büchern weniger<br />

die vielen einzelnen Verfälschungen des Films; sie haben ihm vor<br />

allem die Konzeption Hitlers als eines größenwahnsinnigen Hysterikers<br />

und Psychopathen (c 86), eines Irren mit gelegentlich freundlichen<br />

Zügen geliefert und auf die gängigsten Anekdoten verwiesen,<br />

wozu freilich auch viele andere Bücher hätten herhalten können: so<br />

wird erzählt, daß Hitler sich von Horoskopen habe leiten lassen (c 57),<br />

angedeutet, daß er von'seinem Arzt Morell langsam vergiftet worden<br />

sei (c 87 f, d 95), vermutet, daß Hitler (erb-)krank oder gar nichtarisch<br />

gewesen sei — alles dazu, den Nationalsozialismus oder auch<br />

nur sein Ende durch Krankheit, Fehler oder Schwächen Hitlers zu<br />

erklären und alle übrigen Beteiligten zugleich zu entlasten; demgegenüber<br />

wird eine Einschätzung des Wahrheitsgehalts einzelner<br />

Hypothesen irrelevant. Trevor-Ropers im Auftrag des britischen<br />

Nachrichtendienstes gefertigte Untersuchung faßt alle vom Verfasser<br />

geführten Verhöre, Dokumente und späteren Berichte der Beteiligten<br />

zu einer im Sachlichen einleuchtenden Rekonstruktion der<br />

Geschehnisse zusammen. Über die Vorgänge im Bunker der Reichskanzlei<br />

vom 20. 4.—30. 4.1945, die Handlungs- und Verhaltensweisen<br />

der Beteiligten, wird man schwerlich genauer informiert werden<br />

können. Diesen Kredit nutzt Trevor-Roper allerdings dazu, seine Einschätzung<br />

Hitlers und dessen Umgebung mit gleichem Anspruch auf<br />

„lautere Wahrheit" (c 217) vorzutragen. Danach hatte Hitler nicht nur<br />

„hypnotische Gewalt" (c 71, 95, d 62, 66), einen „entsetzlichen Blutdurst"<br />

(c 96), „unglaubliche Willenskraft" (c 71) etc., sondern der Faschismus<br />

wird auch allen möglichen überholten Gesellschaftsformationen<br />

(c 65), dem Feudalismus (c 218) so gut wie primitiven Stammesstrukturen<br />

(c 215), analogisiert. Mit dem Kapitalismus hat der Faschismus<br />

offensichtlich nur soweit zu tun, als der „dämonische, verheerende<br />

Genius" (c 70) Hitlers „die Industriellen bestach" und sie<br />

beherrschte (c 70, 95, 225), den Mittelstand verängstigte (c 45) und die<br />

Bourgeoisie zum Nachgeben zwang (c 47). So überrascht es nicht, daß<br />

Trevor-Roper die schein-sozialistische Oberfläche nationalsozialistischer<br />

Propaganda für das eigentliche Wesen des Faschismus ausgibt<br />

(c 79, 103), Kommunismus und Faschismus nahe zusammenrückt,<br />

wenn nicht identifiziert (c 45) und als „letzte und einzige Opposition"<br />

(c 219) neben Speer — „als Administrator ein Genie" (c 225) — den<br />

Generalstab (c 40, 66,102) nennt.<br />

Ein Bild der Mentalität dieses Generalstabs gewinnt man aus den<br />

Erinnerungen des Rittmeisters und Augenzeugen Boldt, die das Versprechen<br />

des Titels auf knapp fünfzig Seiten abdecken (d 137—185)<br />

und im Sachlichen Trevor-Ropers Buch nichts hinzufügen. Boldts<br />

Lichtfiguren sind der Panzergeneral Guderian, der, obwohl er Hitler<br />

angeblich wegen „eigener Meinung" „unbequem" war (d 71 f.), nach<br />

dem 20. Juli 1944 Chef des Generalstabes wurde, sowie der Leiter der<br />

„Abteilung Fremde Heere Ost", Reinhard Gehlen, nachmaliger Chef<br />

des Bundesnachrichtendienstes. (Auch auf dessen Amtsnachfolger<br />

Wessel läßt Boldt bei Gelegenheit ein freundliches Licht fallen;

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