DAS ARGUMENT - Berliner Institut für kritische Theorie eV
DAS ARGUMENT - Berliner Institut für kritische Theorie eV
DAS ARGUMENT - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Erste Versuche sozialistischer Wirtschaftspolitik 773<br />
davon sprechen, daß die Organe der Sowjetmacht jetzt an eine „allmähliche<br />
und planmäßige Erneuerung" gingen 18 und dadurch der<br />
weitere rapide Verfall aufgehalten werden konnte. Vor allem nahm<br />
man nach und nach die im Bürgerkrieg stark zerstörten Bergbauanlagen<br />
im Donez-Becken wieder in Betrieb 19 . Die wichtigsten Ergebnisse<br />
waren in diesen ersten Monaten von 1920 weniger entscheidende<br />
Fortschritte in der Produktion, sondern eine teilweise genauere<br />
Erfüllung der Produktionsprogramme als in den Vorjahren 20<br />
und — für Rußland besonders bedeutsam — eine leichte Verbesserung<br />
im Transportwesen 21 .<br />
Der IX. Parteitag der KPR (B), der vom 29.3. bis 5.4.1920 in Moskau<br />
tagte, stand ganz im Zeichen der Erwartung, daß sich die erfreulichen<br />
Ansätze in einem kontinuierlichen Wirtschaftsaufschwung fortsetzen<br />
würden. Die Delegierten diskutierten und beschlossen die Grundlinien<br />
eines einheitlichen Wirtschaftsplanes, der vier Stadien des Aufbaus<br />
umfassen sollte: 1. Verbesserung des Transportwesens, Vorratbildung<br />
von Roh- und Brennstoffen sowie Getreide; 2. Bau von Maschinen<br />
für das Verkehrswesen und für die Gewinnung von Heizmaterial,<br />
Rohstoffen und Getreide; 3. Bau von Maschinen für die Produktion<br />
von Konsumgütern; 4. Produktion von Konsumgütern. Die Durchführung<br />
dieser Aufgaben sollte sich in erster Linie auf die Elektrifizierung<br />
stützen, an deren Planung die Staatliche Kommission zur Elektrifizierung<br />
Rußlands (GOELRO) arbeitete 22 . Kaum war der Parteitag<br />
zu Ende, als ein schwerer Rückschlag die Aussicht auf eine längere<br />
friedliche Periode zunichte machte: Ende April marschierten<br />
polnische Truppen in die Ukraine ein; hierdurch ermutigt, stieß von<br />
Süden her die letzte konterrevolutionäre Armee unter Baron Wrangel<br />
vor. Die Kämpfe zogen sich bis in den Spätherbst hin — ein<br />
nicht zu unterschätzendes Hemmnis für die systematische Aufbauarbeit!<br />
Um so größer war der Enthusiasmus, als sich herausstellte,<br />
daß keine entscheidende Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage<br />
eintrat. Gerade im Transportwesen, das am unmittelbarsten von den<br />
militärischen Ereignissen betroffen war, zeigten sich sogar weitere<br />
Erfolge bei der Inbetriebnahme und Reparatur von Lokomotiven und<br />
Waggons 23 . Das war nicht zuletzt der energischen Arbeit von Partei-,<br />
18 V. Klassen, Promyslennye perspektivy, in: Ekonomiceskaja Zizn (im<br />
folgenden EZ), Nr. 101/12. 5.1920, S. 1.<br />
19 V. Bazanov, Doneckij bassejn v fevrale 1920 g., in: E2 Nr. 81/17.4.<br />
1920, S. 1. Vor dem Weltkrieg waren dort 87,2% der Kohle ganz Rußlands<br />
(ohne Polen) gefördert worden (E2 Nr. 130/17. 6.1920, S. 1). Um die<br />
wirtschaftlichen Schwierigkeiten beurteilen zu können, muß man auch<br />
berücksichtigen, daß die wichtigen Industriegebiete Polen und Ukraine<br />
(zugleich eine bedeutende Kornkammer) ganz bzw. zeitweilig verlorengegangen<br />
waren.<br />
20 Vgl. EZ Nr. 136/24. 6.1920, S. 1.<br />
21 Vgl. E2 Nr. 136/24. 6.1920, S. 1.<br />
22 Devjatyj s-ezd RKP (b), mart-apreP 1920 g., Protokoly, Moskva 1960,<br />
S. 405/406.<br />
23 Vgl. die einzelnen Berichte in der E2 und L. Trockij, Remont<br />
parovozov, in: Soèinenija t.XV, Moskva-Leningrad 1927, S. 351—360.