DAS ARGUMENT - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Michael-Viktor Graf Westarp<br />
Konservativismus - eine Strategie zur<br />
Vermeidung des Faschismus?<br />
„Konservativ bedeutet, an der Spitze des Fortschritts zu marschieren"<br />
dieses Diktum (das übrigens von Franz Josef Strauß vor einiger<br />
Zeit wiederbelebt wurde, als er die programmatische Selbstbezeichnung<br />
der CSU als einer konservativen Partei durchsetzte), umreißt<br />
für Helga Grebing die von ihr unter dem Titel „Doch noch ein Defizit<br />
an <strong>Theorie</strong>-Reflexion?" vorgenommene Einschätzung des aktuellen<br />
Konservatismus. Sie faßt ihn als eine Strategie derer auf, die an der<br />
Absicherung der gegebenen kapitalistischen Produktionsverhältnisse<br />
interessiert sind, aber den Faschismus vermeiden wollen. Während<br />
sie dem Faschismus zuzurechnende Konzepte dort verortet, wo man<br />
besonders unwillig sei, zur Perpetuierung der bürgerlichen Gesellschaft<br />
ein dem Stand der Produktivkräfte entsprechendes Instrumentarium<br />
einzusetzen, scheint Helga Grebing die für die gegenwärtige<br />
Situation gewichtigere Konzeption des Konservatismus wohl in<br />
einer solchen präventiven Gegenrevolution zu sehen, die jeweils gerade<br />
so weit gehen soll, daß sie mittels moderner Sozialtechniken<br />
einer sozialistischen Umwälzung den gesellschaftlichen Nährboden zu<br />
entziehen vermag.<br />
Gerade dieser, in der notwendigen Ein- und Beinahe-Überholung<br />
bestehende Zwang für einen „zeitgemäßen" Konservatismus, der<br />
gleichzeitige und ungleichzeitige Ordnungsvorstellungen integriert,<br />
womit er sich anders als der traditionelle Konservatismus verhält,<br />
wie die Autorin an anderer Stelle ausführt 1 , wird von Grebing als<br />
ein Indiz für die Realität dessen angesehen, was sie als „Sozialstaat"<br />
faßt und dem sie eine eigene gesellschaftliche Qualität zuzulegen<br />
scheint. Ihr zufolge wären dann also die jetzigen ernst zu nehmenden<br />
Konservativen diejenigen, die jene Sozialstaatlichkeit notgedrungen<br />
akzeptieren oder sogar bejahen, diese aber im Gegensatz wohl zu den<br />
Progressiven nicht den demokratisierenden Effekten aussetzen möchten,<br />
welche von der Entwicklung der Produktivkräfte freigesetzt<br />
werden. Eben deshalb wolle der Konservatismus, in seinem Sinne<br />
„an der Spitze des Fortschritts marschierend", diese Sozialstaatlichkeit<br />
gewissermaßen dynamisch stabilisieren. Wenn man die Autorin<br />
nicht allzu sehr überinterpretiert, kann man annehmen, daß ihr zufolge<br />
einerseits Konservative, die den Begriff der Demokratie an die<br />
Vorgegebenheit der kapitalistischen Klassengesellschaft binden wollen,<br />
und andererseits soziale Demokraten (Sozialdemokraten?) die<br />
1 Helga Grebing: Konservative gegen die Demokratie. Frankfurt/M.<br />
1971.