DAS ARGUMENT - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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842 Besprechungen<br />
„vereinigendes Prinzip der Sozialforschung" mit dem Ziel der „Erkenntnis<br />
des gesamtgesellschaftlichen Verlaufs" (13).<br />
Die beiden umfangreichsten — und zugleich wichtigsten — Beiträge,<br />
„Der Begriff Faschismus" und „Die Associazone Nazionalista<br />
Italiana von 1910", haben Merkmalsbestimmungen des deutschen und<br />
italienischen Faschismus zum Ziel. Dabei stützt die Studie über die<br />
italienischen Nationalisten Alffs Grundthese, daß der Faschismus „zunächst<br />
als bloßes Phänomen des Überbaus" auftrat, dennoch aber<br />
„Ausdruck des Interesses der herrschenden Klasse (war), die von der<br />
Stabilität des (kapitalistischen) Gesamtzustands der Gesellschaft abhängig<br />
war" (20). Er ist die „auf einen bestimmten Entwicklungsgrad<br />
der sozialistischen Bewegimg reagierende Ideologie" (20) und setzt<br />
mit den 1890er Jahren ein. Luigi Federzoni sowie Mario Morasso<br />
(Erfinder eines „künstlerischen Imperialismus") sind typische Repräsentanten<br />
der frühsten Form von Faschismus (21), die in Italien ihren<br />
Anlaß in der Niederlage von Adua 1896 hatte, die zur Bildung von<br />
elitären und ästhetisierenden (Futuristen!) nationalistischen Zirkeln<br />
führte (52). Die Entwicklung dieser nationalistischen Bewegung von<br />
ihrer Gründung im Dezember 1910 bis zum Übertritt der Mitglieder<br />
in den Partito Nazionale Fascista 1923 (95) ist ein wesentlicher Beitrag<br />
zur Ideengeschichte des italienischen Faschismus, weil in dieser<br />
Bewegung das Gedankengut entwickelt wurde, auf das später Mussolini<br />
zurückgreifen konnte. Angesichts der zentralen Rolle des Kriegs<br />
für den Faschismus ist das „Verdienst" der Nationalisten bedeutsam,<br />
Italien gegen den Willen der Volksmehrheit und der Mehrheit im<br />
Parlament in den 1. Weltkrieg getrieben zu haben (78). Zuzustimmen<br />
ist Alffs Feststellung, daß der Faschismus kein Zwischenkriegsprodukt<br />
ist (20), sondern daß „Rußland und Italien ... als die bereits vor<br />
dem Ersten Weltkrieg aufgrund ihrer inneren Verhältnisse für den<br />
Faschismus anfälligsten Staaten angesehen werden" müssen (34).<br />
Für die Begriffsbestimmung des Faschismus geht Alff davon aus,<br />
„die Ursachen der ,Bewegung' in den gesellschaftlichen Strukturen<br />
und den psychischen Potenzen ... selber zu suchen" (109), weil nur ein<br />
„dünnes Rinnsal deutscher Geistigkeit" auf die Nationalsozialisten<br />
hingeführt habe. Dieser Ansatz, der auch die psychologisch faßbaren<br />
Merkmale mit heranzieht, hätte — als Konsequenz der Gesellschaftsanalyse<br />
— als Kernproblem das Verhältnis zur kapitalistischen Wirtschaftsordnung<br />
zu analysieren. Gerade dies aber vernachlässigt Alff.<br />
Obwohl er die Aufgabe des Faschismus zutreffend als „Zurückholen"<br />
von nach links abwandernden Massen charakterisiert (22), werden die<br />
ökonomischen Interessen der herrschenden Klasse zwar zugrundegelegt,<br />
aber nicht analysiert.<br />
Alffs Begriffsbestimmung unterteilt in Merkmale der politischen<br />
Praxis und solche der Ideen, die mit der Praxis sich verbanden und<br />
teils psychisch motiviert waren. Zur ersten Gruppe gehört der Faschismus<br />
als Massenbewegung (30), der einhergeht mit der Organisation<br />
von Privatarmeen (31). Praxisgebundene Idee hingegen ist die<br />
Ausschaltung der inneren Problème einer Nation zugunsten der äußeren<br />
(38), die sich zuerst in Italien zeigte. Auf der „Grenzscheide zwi-