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DAS ARGUMENT - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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844 Besprechungen<br />

Das Auffallendste an der neuen Welle von Veröffentlichungen über<br />

Hitler ist ihr Altbackenes in Gehalt und Darstellungsweise; die Bücher<br />

bringen nicht nur nichts Neues, sondern vermitteln kaum einmal<br />

das, was als Kenntnis über die Person Hitlers bekannt ist, und weit<br />

weniger — in gewohnter Auswahl — von dem, was man über den<br />

Faschismus gesichert weiß. Offensichtlich wird aber in der Erwartung,<br />

daß die detaillierte Biographie des Hitler alle weiteren Fragen<br />

überflüssig macht, gerade deshalb darüber so viel publiziert. Anders<br />

ist Joachim C. Fests Hinweis in einem Fernsehinterview nicht zu verstehen,<br />

nach dem der Hitler-Boom einschließlich seiner eigenen Veröffentlichung,<br />

die bereits vor ihrem Erscheinen in Buchform die<br />

meistgelobte Hitlerbiographie sein dürfte, als Antwort auf die moderne<br />

sozialwissenschaftliche Geschichtsschreibung, die das Individuum<br />

leugne, zu verstehen sei. Ausgerechnet an dem von ihr selbst<br />

mehr oder minder zum Monster stilisierten Hitler will diese Geschichtsschreibung<br />

nun exemplifizieren, daß es doch die wenigen<br />

Männer sind, die Geschichte machen, wobei dann unter dem Anspruch,<br />

nun endlich „den ganzen Menschen" zu zeigen, all die individuellen<br />

Züge dargestellt werden, die für die politische Funktion des<br />

Helden höchstens marginale Bedeutung haben, und seine Funktion<br />

hinter der ebenso breit ausgemalten wie irrelevanten Individualität<br />

verschwindet.<br />

Werner Masers Versuch, Hitlers Selbstdarstellung zu rekonstruieren,<br />

ist ihm zu einer Art Familienalbum Hitlers ideologischer Vorstellungen<br />

geraten; „Überraschungen", die er in der Einleitung verspricht,<br />

sind in den ausführlichen Reproduktionen von Briefen und<br />

Redeskripten kaum zu entdecken. Masers Analyse der Dokumente<br />

des jungen Hitler ist ganz darauf abgestellt, schon in den frühesten<br />

Briefen das negativ Außergewöhnliche an ihm aufzufinden, was nur<br />

durch Überinterpretationen möglich wird. Denn weder sagt es<br />

irgend etwas aus, daß Hitler gewöhnlich orthographische Fehler<br />

machte, sie aber unterlassen konnte, wenn er einen guten Eindruck<br />

machen wollte (a 29), noch läßt sich aus dem Vergleich einer heroisierenden<br />

Wallensteinzeichnung mit einer Lehrerkarikatur (a 37 f) eine<br />

Lebenszäsur herauslesen. Warum sollte Hitler nicht „wohlerzogen<br />

und artig" (a 33) in seinen Briefen erscheinen und als Briefschreiber<br />

davon ausgehen, daß die Empfänger Auskunft über ihn, Hitler, interessierte<br />

(a 22)? Teilt man nur das Masers Interpretation bereits zugrunde<br />

liegende Hitlerbild nicht, so sind die Briefe nichts weiter als<br />

bestenfalls zeittypisch. Eher überzeugt Masers Darstellung, nach der<br />

der Antisemitismus das früheste und konstanteste Element in Hitlers<br />

— und nicht nur seiner — politischer <strong>Theorie</strong> war, während andere<br />

Ideologeme später und mehr nach Bedarf hinzutraten (a 227, 263, 379),<br />

doch ist das weder eine neue Einsicht, noch ist es sinnvoll, daß Maser<br />

sich auf eine Widerlegung von Hitlers antisemitischen Behauptungen<br />

einläßt und dem Vorwurf, die Juden arbeiteten „nicht selber", mit<br />

dem Hinweis auf das Arbeitsethos im Pentateuch begegnet (a 237).<br />

Daß Maser Hitlers Behauptung von der „Veranlagung der Juden" für<br />

Handel und Kapital mit Marx' Herleitung der gesellschaftlichen

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