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DAS ARGUMENT - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Gibt es einen jugoslawischen Sozialismus? 753<br />

Jugoslawien 1969 erschienene Buch (Nr. 9) bestätigt zumindest ein<br />

äußerst gebrochenes Verhältnis Horvats zur marxistischen und bürgerlichen<br />

sozialwissenschaftlichen <strong>Theorie</strong>. Es sei vorab resümiert,<br />

daß Horvats Essay, vielleicht unbeabsichtigt, allein infolge der Inkonsistenz<br />

seiner wissenschaftlichen Position und Argumentation,<br />

apologetische Züge aufweist.<br />

Das erste Kapitel behandelt das ökonomische System der SFRJ.<br />

Eingangs stellt Horvat die Frage nach Zentralisation oder Dezentralisation<br />

als alternativen Organisationsprinzipien sozialistischer<br />

Wirtschaft. Wörtlich genommen geht es dabei um keine konstitutive<br />

Entscheidung; Horvat verwendet dieses Begriffspaar jedoch mit dem<br />

Bedeutungsgehalt von zentraler Planung und gesamtgesellschaftlicher<br />

Verfügung über das Mehrprodukt einerseits, von Selbstverwaltung<br />

und Geld-Ware-Beziehungen zwischen voneinander unabhängigen<br />

Kollektivunternehmen andererseits. Eine marxistische<br />

Legitimation der eigenen Position sucht Horvat sodann auf höchst<br />

unangemessene Weise. Ausgehend von der Feststellung, Marx und<br />

Engels hätten bekanntlich keine systematische Beschreibung der<br />

Organisation einer sozialistischen Wirtschaftsordnung hinterlassen,<br />

bringt er zunächst Marx- und Engels-Zitate, die — im Begriffssinne<br />

Horvats — die Position „Zentralisation" ausdrücken, um dann solche<br />

anzuschließen, die er als Plädoyers für „Dezentralisation" deutet<br />

(10 ff.). Wesentlicher als der leicht belegbare Umstand, daß die<br />

zweite Gruppe von Textstellen gar nicht das ausdrückt, was Horvat<br />

interpretiert, ist sein verkehrter Schluß: „Ausgehend von Texten<br />

von Marx ist es möglich, durch Reflexion zu unterschiedlichen Resultaten<br />

zu gelangen ... Wenn es sich ... um die sozialistische Wirtschaft<br />

handelt, ist die Berufung auf die Klassiker, mit ein oder zwei<br />

Ausnahmen, auch sachlich gegenstandslos. Sie bedeutete — da Marx<br />

und Engels jede derartige systematische Konstruktion abgelehnt<br />

haben — eine doppelte hypothetische Behauptung, nämlich daß wir<br />

wüßten, was jene über die Wirtschaft des Sozialismus gedacht hätten,<br />

wenn sie darüber nachgedacht hätten" (19 f.). Daß Marx und Engels<br />

nicht über sozialistische Wirtschaft nachgedacht haben, ist eine kühne<br />

Behauptung! Das Ergebnis ihrer Reflexion schlägt sich in der Formulierung<br />

nur weniger konstitutiver Merkmale nieder, aber auf die<br />

kommt es an. Man muß sie jedoch, nicht zuletzt in ihrer Bedeutung,<br />

übersehen, wenn man in der eklektischen Manier Horvats Zitate aus<br />

Schriften der verschiedensten Phasen der Entwicklung der <strong>Theorie</strong><br />

von Marx und Engels ohne Rücksicht auf den jeweiligen Kontext<br />

und auf Charakter und Funktion der betreffenden Werke (Kommunistisches<br />

Manifest, Kapital, Anti-Dühring) aneinanderreiht. Die<br />

Unzulänglichkeit von Horvats Marxismus-Verständnis erweist auch<br />

die folgende, der Interpretation der Zitate dienende Behauptung: „In<br />

seinem Kern charakterisiert den Sozialismus nicht das Vorhandensein<br />

oder Nichtvorhandensein von Ware und Geld, sondern das Vorhandensein<br />

oder Nichtvorhandensein der befreiten Produzenten"<br />

(20). Daß private Warenproduktion und -Zirkulation die Produzenten<br />

dem „Mystizismus der Warenwelt", jener „blinden Macht" ausliefert,

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