DAS ARGUMENT - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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812 Hans Immler<br />
1. Naturaneignung und Produktionsprozeß<br />
Das Verhältnis von Gesellschaft und Natur wird durch die Formen<br />
der Naturaneignung bestimmt. Diese Formen sind sowohl durch den<br />
Entwicklungsstand der Produktivkräfte als auch durch die zugrundeliegenden<br />
Produktionsverhältnisse gekennzeichnet. Die Aneignung<br />
der Natur vollziehen die Menschen, indem sie Produkte zur Befriedigimg<br />
ihrer materiellen Bedürfnisse herstellen. Der Produktionsprozeß<br />
steht daher im Mittelpunkt bei der Bestimmung des Verhältnisses<br />
Gesellschaft — Natur. In ihm werden Stoffe und Energie der<br />
außermenschlichen Natur entnommen und über meist mehrfache<br />
Transformationsvorgänge in Gebrauchswerte für die menschliche<br />
Konsumtion umgewandelt. Zur Herstellung der Gebrauchswerte ist<br />
die menschliche Arbeit notwendige Bedingung. Die Quellen des gesellschaftlichen<br />
Reichtums sind daher die Natur und die menschliche<br />
Arbeit 4 .<br />
Nicht alle Produkte werden unmittelbar der Konsumtion zugeführt.<br />
Ein Teil der hergestellten Produkte dient als Mittel weiterer Produktion<br />
auf höherem Entwicklungsniveau. Auch die Produktionsmittel<br />
sind hinsichtlich ihrer stofflichen Seite mehr oder weniger transformierte<br />
Naturstoffe. Mit der Entfaltung der Produktivkräfte wird es<br />
möglich, die Formen der Naturaneignung quantitativ und qualitativ<br />
zu entwickeln, so daß schließlich vielen Naturstoffen ihre Herkunft<br />
nicht mehr anzusehen ist. Die natürliche Umwelt der Menschen wird<br />
zu einer durch die gesellschaftlichen Produktionsformen charakterisierten<br />
Umwelt. Es wäre aber falsch anzunehmen, daß sich die Produktionsstoffe<br />
auch nach noch so vielen Transformationsstufen von<br />
ihrer Natureigenschaft endgültig gelöst hätten. Vielmehr ist es im<br />
Produktionsprozeß nur möglich, unter Anwendung der natürlichen<br />
Produktivkräfte und der technisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse<br />
die natürlichen Eigenschaften der Stoffe für die Befriedigung der<br />
menschlichen Bedürfnisse auszunutzen. Die Naturaneignung im Produktionsprozeß<br />
muß also immer in den Grenzen bleiben, die noch<br />
eine langfristige ökologische Stabilität garantieren, wenn nicht ernsthafte<br />
Störungen im Verhältnis von Natur und Gesellschaft eintreten<br />
sollen. Indem der Mensch sich Natur aneignet, unterwirft er ihre<br />
Gesetze seiner Botmäßigkeit, befreit er sich selbst von der Herrschaft<br />
der Natur, weil er sie beherrschen lernt. Umgekehrt geraten aber die<br />
Menschen erneut unter die Herrschaft der Natur, weil sie deren Gesetze<br />
mißachten oder nicht vollständig kennen. Schon Engels warnte<br />
trotz aller Erfolge von Wissenschaft und Technik: „Schmeicheln wir<br />
uns indes nicht zu sehr mit unsern menschlichen Siegen über die<br />
Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns. Jeder hat in<br />
erster Linie zwar die Folgen, auf die wir gerechnet, aber in zweiter<br />
und dritter Linie hat er ganz andre, unvorhergesehene Wirkungen,<br />
die nur zu oft jene ersten Folgen wieder aufheben." 5<br />
4 Vgl. K. Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie. MEW, Bd. 13,<br />
S. 23.<br />
5 F. Engels: Dialektik der Natur. MEW, Bd. 20, S. 452 f.