02.03.2014 Aufrufe

DAS ARGUMENT - Berliner Institut für kritische Theorie eV

DAS ARGUMENT - Berliner Institut für kritische Theorie eV

DAS ARGUMENT - Berliner Institut für kritische Theorie eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Soziale Bewegung und Politik 849<br />

nicke: „Zum Konzept der politischen Systemkrise", PVS 12 / 1971,<br />

S. 544) angesichts der objektiven Bedeutung seiner formalisierten<br />

„dynamisch-konflikttheoretischen Version" von Totalitarismustheorie.<br />

Die reale Wirksamkeit deutet nämlich darauf hin, daß die pejorativen<br />

Momente, daß die typologischen Entgegensetzungen von<br />

„totalitärer Herrschaft" und „freiheitlicher Demokratie" bzw. „christlichem<br />

Abendland" bzw. „freier Marktwirtschaft" (95 ff., 101 ff.,<br />

107 ff.) so publikumswirksam hergestellt worden sind, daß es mit<br />

einer bloßen Läuterung des Begriffs kaum getan sein dürfte. —<br />

Jänicke spürt zunächst der Genesis des Begriffs totalitärer Herrschaft<br />

nach, um dabei vor allem auf die Verwendung im italienischen<br />

Faschismus („stato totale") und seiner Rezeption in der „profaschistischen<br />

deutschen Staatslehre" (bes. C. Schmitt und E. Forsthoff)<br />

einzugehen. Anschließend erläutert er die Ausprägung und<br />

Wandlung des „westlich-liberalen Gegenbegriffs" Totalitarismus,<br />

wobei klar wird, daß die laufende Veränderung des Begriffs vermittelt<br />

wird durch dessen Doppelfunktion: 1. „politisch-normativ"<br />

und 2. „theoretisch-wissenschaftlich" zu fungieren. Dieser Nachweis<br />

gelingt andeutungsweise dadurch, daß die verschiedenen Ausprägungen<br />

des Begriffs illustrierend zur jeweiligen außenpolitischen Ursprungssituation<br />

in Beziehung gesetzt werden.<br />

Diesen Ansatz müßte eine Nachfolgestudie jedoch entscheidend<br />

ausweiten und in Richtung auf eine Darstellung auch der innenpolitischen<br />

Ableitung und realsoziologischen Vermitteltheit der Begriffsinhalte<br />

präzisieren. Nur so kann die bloß illustrierende Feststellung<br />

von der Mehrdeutigkeit des Begriffs (119 ff., 248) aufgehoben werden,<br />

indem ausführlich darauf eingegangen wird, warum z. B. ein<br />

<strong>kritische</strong>r Gebrauch des Totalitarismusbegriffs etwa durch Marcuse,<br />

Neumann, Horkheimer als Hinweis auf die Aufhebung der emanzipativen<br />

Momente bürgerlicher Entwicklung durch den Faschismus<br />

Episode geblieben ist. Jänicke aber vermag zusammenfassend (233 f.)<br />

nur zwei abstrakte „Grundmängel" des Totalitarismusbegriffs aufzuzeigen<br />

(wobei sich vor allem auch zeigt, daß seine Hauptintention<br />

darin besteht, den Begriff als Instrument einer konflikttheoretischen<br />

Ost-Forschung zu etablieren (124 ff.): „Einmal die Problematik<br />

seiner politisch-normativen Funktion, zum anderen seine theoretischen<br />

Schwächen in Hinblick auf die langfristige Analyse monopolistischer<br />

Parteiregime mit mehrfachen Macht- und Generationswechseln<br />

und umfassendem Gesellschaftswandel" (233 f., auch: 247 ff.).<br />

Ein weiterer entscheidender Mangel der Studie liegt darin, daß sie<br />

den Begriff als einen primär außenpolitisch-situationsbedingten<br />

„politische(n) Wertbegriff", als „Instrument außenpolitischer Freund-<br />

Feind-Gruppierungen" vorstellt (61 ff., 65 ff.). Indem der „außenpolitische<br />

Funktionszusammenhang" (77 f.) des Begriffs so stark<br />

und überproportional betont wird, geht Jänicke viel zu wenig auf<br />

die innenpolitische, herrschaftsstabilisierende Funktionskomponente<br />

ein. Vor allem aber unterläßt er es, ausdrücklich und intensiv die<br />

sozialdemokratische Spielart identifizierender Totalitarismustheorie<br />

kritisch darzustellen bzw. überhaupt zur Sprache zu bringen. Jänicke

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!