Abb. 1 Francisco de Zurbarán, Der unversehrte Leich - nam des heiligen Franziskus (um 1645), Öl auf Leinwand, 209 x 110 cm (Musée des Beaux-Arts, Lyon) 40
31 N°- 14/15 Die Figur der Zwei Victor I. Stoichita Minimal Zurbarán Was man sieht, ist eine männliche Gestalt in Mönchskutte, die mit verschränkten Händen bewegungslos dasteht, die Augen zum Himmel erhoben. Abb. 1 Nichts weiter. Die Gestalt steht o≠ensichtlich in einer Nische. Der grosse Schatten neben ihr zeigt an, dass links ausserhalb des Bildes eine Lichtquelle vorhanden ist. Die Szenerie ist minimal und enthält nichts ausser dieser einzigen, mit ihrem Schatten doppelt abgebildeten Gestalt. Der Blick des Betrachters irrt über die kahlen, schmucklosen Sto≠massen, gleitet über die raue Oberfläche des härenen Gewandes, hält bei einem Knick inne, versinkt in der dunklen Tiefe einer Furche. An einer besonders dunklen Stelle in der Armbeuge tut sich – ein klein wenig nur – eine Falte auf, die kaum sichtbar ist. Aber ist das wirklich eine Falte, ist das nicht eher ein Riss oder, genauer betrachtet, eine Wunde? Die männliche Gestalt in der Kutte, die mit verschränkten Händen vor dem Betrachter steht, die Augen zum Himmel erhoben, trägt ein Zeichen, das kaum sichtbar ist, aber doch nicht zu leugnen: ein Stigma. Diese Gestalt ist niemand anderer als Franz von Assisi. Oder, präziser gesagt: Diese Gestalt ist ein Scheinbild, ein minimales und hyperreales Abbild des hl. Franziskus. Die erste schriftliche Quelle, die eine solche Darstellung des Heiligen erwähnt, zeigt bereits einen Grossteil ihrer Problematik auf. Diese Quelle, ein kurzer Kommentar von Francisco Pacheco in seinem Werk Arte de la Pintura von 1649, das der Franziskus-Ikonographie ein paar Seiten widmet, ist doppelt wertvoll: Einerseits wird auf das Minimum an Details hingewiesen, andererseits wird der Stellenwert des Bildes als «Zeugnis» hervorgehoben: 41 «Er [der hl. Franziskus, V. S.] soll mit dem Riss im Gewand gemalt werden, so dass die Wunde an der Seite sichtbar wird; der Riss stammt von denen, die den Heiligen nach seinem Tode einkleideten. Und den Gemälden ist es zu verdanken, dass wir [heute] Kenntnis haben von der Art, wie er [immer noch] aufrecht steht, dort in Assisi, als ob er noch am Leben wäre, so viele Jahre nach seinem Hinscheiden. Und so ist er auch zu sehen im Kloster des hl. Franziskus in Madrid, in der ersten Nische des Kreuzganges, vortrefflich gemalt von Eugenio Caxes, (denn) Gemälde sollen Zeugnis ablegen von der Wahrheit.» 1 Dieser Artikel entstand im Anschluss an das Seminar The Saint’s Body, das ich im Jahre 2006 als Zobel de Ayala Visiting Professor gemeinsam mit Tom Cummins am Department <strong>für</strong> Kunstgeschichte an der Harvard University geleitet habe. Ich widme den Artikel Tom Cummins und den Seminarteilnehmern, in Erinnerung an die Diskus - sionen und Debatten vor dem Franziskus-Bild von Zurbarán im Museum von Boston. Für die deutsche Übersetzung des vorliegenden Textes sei hier Ruth Herzmann bedankt. Für die Übersetzung und Transkription einiger lateinischen Passagen bin ich Alessandra Mascia verpflichtet. Aus diesen Zeilen erfährt man also, dass es in Spanien, insbesondere in Madrid, «Zeugnis»-Bilder gibt, auf denen der wundersam unverweste Leichnam des hl. Franziskus abgebildet ist, wie er noch heute in Assisi (Italien) erhalten ist. Als Beispiel zitiert Pacheco das Gemälde von Eugenio Caxes, das zwar verloren ging, von dem aber noch eine Zeichnung in der Wiener Albertina existiert. Abb. 2 Einige Elemente auf dieser Zeichnung lassen vermuten, dass der Bildtypus, von dem Pacheco spricht, nicht derselbe ist wie der hier diskutierte. Die Zeichnung zeigt ein Gewölbe, in dessen Mitte der hl. Franziskus auf einem Sockel steht, «[…] aufrecht […], als ob er noch am Leben wäre […]». Das Gewölbe wird dreifach beleuchtet – von einer Lampe an der Decke, vom Nimbus um 1 - «Hase de pintar […] un golpe en el habito por donde se descubra la llaga del costado, que así se lo dieron al que le vistieron después que murió […]. Como esta milagrosamente en Assis, en pie, después de tantos años como si estuviera vivo, ya se sabe por las pinturas: como se ve en San Francisco de Madrid, en la primera estación del claustro, aventajadamente pintado de mano de Eugenio Caxés (porque) las pinturas han de testificar la verdad», Francisco Pacheco, Arte de la Pintura su Antigvedad y Grandezas, Sevilla 1649, S. 582. Diese und alle folgenden Übersetzungen der französischen und spanischen Originalzitate ins Deutsche durch V. S. und Ruth Herzmann.
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